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Taining – Sanming

One Night in Sanming


Es ist die Lust nach Junkfood, das Streben nach Wasser und das Verlangen nach Ausgang, dass uns am frühen Samstag Morgen aus dem Bett treibt. Wir, das sind diesmal Patrick, der das ganze einfädelt, und meine Wenigkeit. Der Plan ist irgendwie so, dass wir versuchen hier den Bus zu kriegen, um nach Taining zu fahren und von da aus ein anderes Gefährt nehmen, dass uns bis nach Sanming mitnehmen soll. Patrick hat so in etwa eine Vorstellung, wie wir das anstellen werden, wobei ich nicht weiss ob mich das jetzt beruhigen soll oder nicht. Ich bin eben immer noch neu hier in China und weiss noch nicht so richtig, wie das hier läuft. Patrick hat aber das Abenteuerfieber gepackt und das lässt auch mich nicht kalt. Also, los gehts! :D

Es klappt alles souverän. In Taining nehmen wir einen Bus am Busterminal, der uns in zwei Stunden nach Sanming bringt. Die angenehme Reise führt uns an Reisfeldern und kleinen Hügeln vorbei. Es ist schon eindrücklich, wie viel hier gebaut wird. Die Berge sind durchlöchert von den fadengeraden Linien der Hochgeschwindigkeitszüge und Brückenpfähle schiessen aus dem Boden wie Unkraut.

In Sanming angekommen, sieht es nicht anders aus. Gleich zehn Wolkenkratzer schiessen nebeneinander aus dem Boden und dahinter ein neues Sportstadion. Investitionen scheinen sich hier zu lohnen. Der neue Reichtum der Mittelschicht Chinas, macht sich bemerkbar und Sanmings 1,1 Millionen Menschen können sich scheinbar mehr leisten. Wir beziehen ein Drei-Sterne-Hotel, das Patrick kennt. Erst will ich ihn noch dezent darauf hinweisen, dass ich ein bestimmtes Budget habe und mir solche Eskapaden nicht leisten möchte. Als ich dann aber den Betrag auf der Kasse aufleuchten sehe, trifft mich fast der Schlag! 70 Yuan! Umgerechnet an die zehn Franken! Ich habe mich schon mit dem Zehnfachen abgefunden. Was für ein Gefühl. Eine Dusche! Wasser! Warm! Von oben! Das Bett, weich!!! *wow* Wie geil ist das denn. Gleich anschliessend sündigen wir, Patrick und ich gehen zu McDonald’s. Hier in China gibts die überall und es kostet beinahe nix! Umgerechnet zwei Franken fürs Menü. *engelsgesang*. Big Mac Nummer 63 – und es ist der heissest Ersehnte und Beste seit langem. :D

Der Herr gönnt sich eine klassische chinesische Massage und ich mir ein Nickerchen. Ich liebe das chinesische Pay-TV. Sport rund um die Uhr und mitten am Nachmittag kommt gutes, altes Tischtennis. Was viele von euch wohl nicht wissen, ich war mal lizenzierter Spieler und mag den Sport noch heute. Die Chinesen fliegen auf Tischtennis, nicht wie die Thailänder auf Ping-Pong …

Der Abend hat es dann in sich. Mir fällt auf, dass die Chinesen gerne unter sich sind, wenn sie weggehen. So ist unsere erste Anlaufstelle nicht das, was wir suchen. Es ist ein Club mit vielen Séparées, wo man sich bedienen lassen kann. Nur für Gruppen geeignet. So enden wir im Pub neben unserem Hotel. Das hat es aber in sich. Schon reichlich beschwipst, hatten wir doch im Hotel bereits unsere deutsch/türkische Liebe «Eku» bis auf den letzten Tropfen leergetrunken. Nun stehen wir da, wie bestellt und nicht abgeholt, bis der wuselige, metrosexuelle Kellner sich unser annimmt und an einen der Tische setzt.

Bevor die ersten Bierchen kommen, checke ich mal den Club aus. Er ist so ein wenig technomässig eingerichtet und es dröhnt laut China-Pop aus den Boxen. Eine Tanzfläche gibt es keine, dafür aber eine Bühne, auf der sehr reizvolle Damen, völlig unbeachtet von den hauptsächlich männlichen Gästen, zur Musik tanzen. Doch uns juckt unermüdlich das Tanzbein, wir sind uns das ja auch von zu Hause gewohnt, und sitzen ganz hibbelig auf unseren Hockern. Dann gehts los. Oh weia. Patrick zieht nämlich so ziemlich alle Aufmerksamkeit im Laden auf sich. Es ist mir noch gar nicht aufgefallen, aber jetzt dafür umso mehr. Er ist mit seinen 1.97 m ein warer Riese im Vergleich zu den kleinen Chinesen. Und dann hat er erst noch blonde Haare und blaue Augen. Das ist für die Menschen hier so speziell, dass wir von Tisch zu Tisch eingeladen werden und mit den Jungs und Mädels fleissig immer weiter auf deren Kosten Bier konsumieren. Die Chinesen lassen es sich nicht nehmen, obwohl wir nur durch Zeichensprache kommunizieren, uns permanent einzuladen. Und noch eins und noch eins. UND noch eins – bis die Europäer die Bühne stürmen und den Mädels die Show klauen.

Oh mein Gott, ich habe noch nie in meinem Leben so viel Bier getrunken. Nicht zu vergessen hier anzumerken, dass den Chinesen ja dieses Alkohol­abbau-Enzym fehlt, was die Folge hat, dass sie auch vom Bier schnell betrunken sind. Das ist es, was uns am Leben hält. Wir haben bestimmt je 20 Bier getrunken. Das sind zehn Liter. Plus die Eku, die ja auch nochmal je 2,5 Liter beinhaltet. Jedoch mit fünf Prozent. Kurz: Oh mein Gott mir war noch nie im Leben soooo schlecht.

Anker werfen reicht nicht mehr und der Weg zur Toilette ist auch zu lang. Da bietet sich nur noch eines an – das Fenster. Schwupp!!! Auf ist es und die Schwerkraft erledigt den Rest. So hab ich ein Bild vor Augen, wie mein geliebtes Bier rückwärts vom neunten Stock seinen Weg durch die Luft ins Tal sucht.

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