Great Ocean Road 2
Jenna hat echt an alles gedacht. Mir ist ja klar, dass die Frau weiss, wie der Hase läuft, aber trotzdem überrascht sie mich immer von neuem. Um es gleich einmal geklärt zu haben, nein wir haben keinen Sex. Ich weiss, dass das beim Thema von andersgeschlechtlichen Freundschaften immer wieder «hochkommt». Jenna und mir ist es nicht klar, warum die Leute das nicht verstehen und schon gar nicht selbst leben können. Wir geniessen und sehen den gegenseitigen Respekt als ein Geschenk an unseren freien Geist.
Ab jetzt gibt es alle fünf Minuten etwas zu sehen. Da ein Schild mit «Sceenic View» oder «London Bridge – 300 m». Mensch, da kommste ja kaum vorwärts, so viel gibts hier zu sehen. Für Fels-Fetischisten ist dies hier ein Paradies. Auch mich faszinieren die Felsen, wie sie hier aus dem Wasser ragen. Gegen Nachmittag wird das Verkehrsaufkommen grösser und die Touri-Kleinbusse vermischen sich mit den Wicked-Campern und unserem Mitsubishi. Bald ist mir auch klar wieso.
Wir nähern uns dem Highlight der Great Ocean Road. Den Twelve Apostles. Ob es auch mein Highlight wird? Die Fotos sind schnell gemacht, aber irgendwie ist es wie mit allen erreichten Zielen, sobald man da ist, muss man sich gehen lassen können. Aber auf dieser Touristenaussichtsplattform geht das irgendwie nicht so recht.
Jenna ist ein sehr natürlicher Mensch. Beim Wandern durch den Wald und auch beim Autofahren wird sie manchmal sehr lange sehr ruhig. Ich fühle, dass das mit ihrer Naturverbundenheit zusammenhängt und sie das Draussensein so richtig geniesst und in ihre eigenen Gedanken versinkt. Ich bin mir dem Ganzen aber nicht sicher, kenne ich sie ja kaum. Vielleicht hat sie mich ja auch einfach satt? Auf jeden Fall bringt uns ihre Spürnase hinunter zum Strand. Hier verweilen wir, abseits vom Zeitdruck der anderen Touristen, die schneller als gewollt zu ihren Bussen zurück müssen. Ruhig und in sich gekehrt blickt Jenna aufs Meer hinaus. Nicht verstehend, weil nicht wissend schaut Lukas zu Jenna und hofft, dass es ihr gut geht.
Unser Tagesziel ist Lorne. Ein Ferienort, wo Jenna als Kind sehr oft war. Also geht es weiter. Auf halbem Weg durchqueren wir die Otway-Wälder, wo es den berühmten Tree-Top-Walk zu bestaunen gibt. Hier werde auch ich ruhig und jedes sinnlos geplapperte Wort erscheint mir zu viel. Es ist erstaunlich, wie diese Wälder hier funktionieren. Vom buschartigen Gefilde, muss sich nur die Bodengegebenheit etwas verändern und schon schiessen die Bäume hundert Meter in die Höhe. Noch einmal einige Meter weiter wachsen Farne, als wäre man im Regenwald. Diese Erfahrung ist für mich das Highlight des Tages – und die 22 Dollar Eintritt allemal wert.
Gegen Abend checken wir im Camping von Lorne ein und gönnen uns Fish und Chips am Strand. Hier frage ich Jenna auch, wie es ihr geht und ob alles klar sei. Sie bejaht es und erklärt mir in kurzen, prägnanten Sätzen, dass sie total in Gedanken versunken sei und daher eine stillere Gangart fährt. Ich Rüpel aber auch! Die Frau kommt mehr oder weniger direkt aus Island, hat ihre Familie die letzten zwei Jahre kaum gesehen und fährt mit mir an Orte ihrer Kindheit. Was erwarte ich eigentlich?