The Rock Tour 2
Die Sterne stehen immer noch am Firmament, als uns Rachelle in vollem Morgen-Elan aus den Federn holt. Sogleich zeigt sich auch wieder, dass es sich hier nicht um eine bessere Kaffeefahrt handelt, sondern um eine Aktiv-Tour. Schuhe angeschnallt und los! Leider ist mein Schnupfen nicht besser, meine Nase ist rot und schmerzt! Sie gleicht eher einer Bush-Tomate, als einer Nase. Daran, sie als Atemwerkzeug zu benutzen, ist nicht zu denken. Hätte ich doch meinen Nasenspray mit dabei. Mist, wie wird das nur beim Wandern? Das kanns doch nicht sein, ich hab 300 Dollar bezahlt und will das geniessen! Heute geht es ins Tal der Winde … Die sehr eindrücklichen Steinformationen von Kata Tjuta in der Nähe des Ayers Rock, wie dieser ebenfalls durch Erosion über Jahrmillionen entstanden, sind schon etwas ganz Spezielles. Die Farbe der Steine zusammen mit den herrlich grünen Bäumen ist wunderschön und ihre Grösse kaum mit Kameras festzuhalten. Trotzdem liefere ich mich meiner Sucht aus und knipse mal wieder was das Zeug hält. Echt ein Geheimtipp dieser Ort und die Walks sind sehr fordernd. Jedem Touristen, der mehr möchte, als nur vom Bus zur Aussichtsplattform zu tschalpen, sind sie sehr zu empfehlen. Am Abend fahren wir zum ersten Mal zum Ayers Rock. Rachelle erzählt einiges über die Dreamtimes, die Kunst des Lebens der Aborigines und was diese mit ihrem Mekka, dem Rock, verbindet. Aus der Distanz erleben wir den Sonnenuntergang hinter dem Felsen.
Nachtrag: Meine Nacht in der Wüste.
Rachelle ist super. Ich will heute nicht in diesem Touristen-Shack übernachten. So schliesse ich mit ihr den Deal, dass sie mich etwa in der Mitte zwischen Unterkunft und Uluru aus dem Bus lässt. Bepackt mit Wasser, etwas zu Knabbern und einem Schlafsack stehe ich nun plötzlich mitten in der Wüste, wo ich heute nur für mich sein möchte. Morgen früh werde ich genau an dieser Stelle wieder aufgelesen.
Ich mache mich auf, die Strasse etwas zu verlassen. Es wird bereits kalt und ich habe ein optimales Fleckchen für mein Nachtlager gefunden. An Licht fehlt es nicht, denn der Mond spendet das seine, trotzdem entfache ich ein Feuerchen aus herumliegendem Kamelmist und etwas dürrem Holz. Um die lästigen Moskitos zu vertreiben, reibe ich mich mit der weissen Substanz ein, die es hier an allen Bäumen gibt – man braucht sie nur vom Stamm zu reiben. Sie dient als Sonnenschutz oder auch gegen Insekten. Fertig gerüstet für die Nacht geniesse ich noch etwas von dem Gras, das Rachelle mir zugesteckt hat und fange an Sternschnuppen zu zählen. Nach ca. Hundertsiebenundzwanzigtausend schlafe ich dann ein.
Was habe ich in dieser Nacht nachgedacht. Ich denke an meine Freunde in Melbourne. An die Familie zu Hause und wie mein Vater weinte, als er mich zum Flughafen brachte. Ich sehe mich mit dem Rucksack durch die Wüste und über Berge wandern. Viel Bus fahren, oftmals die Sprache nicht verstehen. Ich sehe meine Zukunft. Noch nie war ich so für mich alleine wie hier und jetzt. Was ist dieser Wüstensand Nährboden für solche Gedanken. Ich bin froh, das Risiko auf mich genommen zu haben und hier geblieben zu sein.
Es ist schon Wahnsinn, wie weit ich von daheim weg musste um reflektieren zu können. Viele reden ja von der Selbstfindung und das man als anderer Mensch nach Hause kommt. Ich spüre noch nicht viel Neues in mir. Ganz im Gegenteil. Es fühlt sich eher so an, dass ich mich eigentlich voll okay fühle – solange ich mich nicht aufhalten lasse und mir das nehme, was mir zusteht. Ich bin niemand anders geworden. Ich bin einfach ich!
Das haben sich wohl auch die Kamele (deren Mist ich ja verbrenne) gedacht und wissen nichts Besseres zu tun als mich während meines Schlummers mitten in ihre Herde aufzunehmen. Ich staune nicht schlecht, wie hoch Kamele im Schreck springen können, den sie durch den schrillen Ton meines Weckers erhalten. Etwas perplex rolle ich mein Lager zusammen und mache mich auf den Weg zurück zur Strasse, wo ich von Rachelle mit einem Lächeln empfangen werde.