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Brisbane | angenehme Brise

Igitt, seine Schuhe!


Heute erlebe ich das wohl bizarrste Erlebnis seit ich unterwegs bin. Ich ziehe mich nach einigen lustlos getrunkenen, aber trotzdem entspannenden Bierchen aufs Zimmer zurück. Als ich kurz vor dem Einschlafen bin, kommt ein älterer Reisender zurück ins Zimmer. Er ist nicht alleine. Im Schlepptau hat er ein Mädchen. Es braucht nicht viel, um herauszuhören, dass sie um einiges jünger ist als ich – und erst recht als er.

Sie verziehen sich auf das Stockbett über mir. Damit hätte ich auch gar kein Problem. Aber sie will offensichtlich nicht, was er will, was ihn dazu veranlasst, zu quengeln und die Frau, meines Erachtens, zu etwas zu drängen, was sie nicht will. Das Ganze zieht sich hin und ich fühle mich zu scheu um einzugreifen. Ich denke mir, dass sie stark genug ist, ihm ihre Meinung zu sagen oder um bestenfalls zu verschwinden. Das setze ich mir in den Kopf und ergebe mich langsam meiner Müdigkeit.

Plötzlich werde ich aus meinem Dös-Schlaf gerissen, denn plötzlich fällt mit einem lautem Knall ein Schuh neben mich … als ich genauer hinsehe, liegt neben dem Schuh eine Socke und ein Kondom … ausgepackt … und benutzt … Der Mann hat immer noch nicht genug und lässt die Frau, die sich inzwischen wohl aufgegeben hat, nicht in Ruhe. Nun habe ich genug. Es ist schon zu heftig, dass niemand von den sonst so starken Männern im Zimmer reagiert.

Ich stehe auf und im Halbschlaf kommen folgende Worte über meinen Lippen: «If you don’t stop now to abuse this Girl, I will kick your fuckin arse out of this room». Ich ernte Gelächter von überall aus dem Raum. Tja, ich kann nichts tun, ich bin ja in Braindead-Land hier. Nun gut, immerhin ist es nun vorbei und Ruhe kehrt ein, denn nun getraut sich der Herr zu nichts mehr.

Wieso ich verschmitzt lache, als ich im Halbschlaf bemerke, wie dieses Arschloch nach unten kriecht, seine Schuhe anzieht und verschwindet, würdet ihr verstehen, wenn ihr gesehen hättet, wie ich zuvor kurzerhand das benutzte Kondom mit Hilfe seiner Socke in seinen Schuh verfrachtet habe.

Die Stadt hat mich wieder. Nun ja, so ist es halt. Solche Menschen und Orte werden mir immer wieder begegnen. Ich kann mir inzwischen aber vorstellen, warum viele es so toll finden … nicht alle Menschen sind mit demselben Horizont gesegnet.

Den Tag nutze ich für einen ausgiebigen Walk durch die Stadt. Mit Kopf­hörern und Karte bewaffnet, stürze ich mich aus dem Hostel und meine Suche nach Fotomotiven beginnt. Mein Ziel sind Bilder der Skyline, etwas City-Life und etwas Kunst. Erstaunt stelle ich fest, dass in dieser Zwei-Millionen-Stadt so ziemlich alles zu Fuss erreichbar ist. Es gibt ein spora­disches S-Bahn-Netz und etliche Busse, die aber nur für die Suburbs Relevanz besitzen.

Ich marschiere über die Story Bridge nach South Bank, wo ich das mir empfohlene Museum of Modern Arts besuchen will, das angeblich kostenlos sein soll – und erst noch gut sei. Und wieder was, wo sich die Schweizer ne Scheibe abschneiden könnten. Auf dem Weg dorthin lerne ich das grosse Sonntags-Hobby der Brissies kennen. Abseiling. Lustiges Wort. Dabei seilen sie sich den etwa 50 Meter hohen Abhang am Brisbane River ab. Naja, wenn man sonst nix Höheres hat? Der Fluss ist durch das schlechte Wetter der letzten Tage leicht schmutzig. Kurz überlege ich, ob ich bereits in Indien bin und darin baden sollte? Nach ausgiebiger Tour durch die Einkaufsmeile kehre ich zum Hostel zurück. Nach einem Powernap, den ich definitiv nötig habe, gehts noch Chinesisch essen (9.80 $) und ab auf ein Bier in die Stadt. Die Leute hier stehen sehr auf den britischen Fussball. So gibts ein Guinness und viel Gejubel bei ManU gegen Liverpool.

Mir scheint, als kämpfe ich die Tage sehr mit mir selbst und dem Punkt, dass ich vieles nicht akzeptieren kann, wie es eben ist. Nach diesem ausgiebigen Spaziergang heute fühle ich mich besser und stehe bereits wieder ziemlich über dem, was ich gesagt habe. Man kann nicht jeden Tag erleuchtet werden beim Reisen. Es gibt gute und schlechte Momente. Dumme und weniger dumme Menschen. Die Kunst ist sich treiben zu lassen um auf den Pfad zu gelangen, der einem entspricht. Das will ich in Zukunft öfters machen. Ich fasse einfach und simpel zusammen: Mir ist jetzt klar, warum es den Aborigines nicht gut geht. Horizont ist nicht allen gegeben. Hier befindet sich nicht meine Zielgruppe, aber ich hatte trotzdem viel, sehr viel Spass! =)

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