The city of the divorced
Heute widme ich mich einem Thema, welches mich schon seit Längerem beschäftigt. Seit meiner Ankunft in dieser Stadt, fällt mir auf, dass die Menschen hier anders sein müssen, als in anderen Städten. Aus vielen Gesprächen fühle ich langsam heraus, dass viele meiner Mitschüler und andere Studenten eine Geschichte mit sich tragen. Es ist eine wild zusammengewürfelte Gruppe, aber trotzdem hat alles hat einen Zusammenhang. So vermute ich, dass es etwas mit der Stadt zu tun hat. Melbourne ist nicht so hip wie Sydney. Melbourne hat keine Harbour Bridge oder Opera. Diese Stadt hat Tiefe.
Die Leute in meiner Klasse sind älter, im Schnitt so 27 Jahre. Meine Banknachbarin, die Bilderbuch-Polin, eine Klassefrau, ist verheiratet und macht den Kurs um mit ihrem Mann in Australien immigrieren zu können. Camillo, der Kolumbianer, war beinahe verheiratet, fühlte aber dass da mehr war. Seine Beziehung hielt nicht, als er ins Ausland ging. Patty, die liebste Dame aus Barcelona, sieht ihr Glück in der Ferne. Ihr Partner sah das anders. So gings auseinander. Luciana hat mich heute spontan zu einem brasilianischen Geburtstagsfest im Casino eingeladen. Weisses Hemd hervorgekramt, los gehts. Während der ausgelassenen Stimmung, kommen wir auf das Thema zu sprechen. Lovely Lucie kommt aus Brasilien, ist geschieden und ihre hier gefundenen Freunde nennen sie unter Freunden: «the divorced one».
Ich weiss ja nicht, ob ich mich täusche, aber solche Geschichten habe ich von anderen Städten dieses Landes noch nicht gehört. Es scheint mir, als wäre Melbourne ein Magnet für Leute, die entweder liiert sind oder eine harte Zeit hinter sich haben. Es herrscht keine «Jeder fickt jede»-Stimmung. Jedenfalls nicht bei uns. Ob’s nun die Stadt ist oder der Zufall … Hier ist etwas sehr Spezielles vorhanden, was mich auch zu folgender Aussage bewegt:
«When you’re abroad, your friends become your family»
Behandle sie, als wären sie deine Brüder und Schwestern. Denn sie sind diejenigen, die dein Leben ausmachen. Es ist selten die Stadt, die mich berührt, sondern die Menschen dort. Ich bin in der glücklichen Situation, einige gute Seelen um mich zu haben, die auch mein nicht-tiefgehendes Englisch verstehen und nachfühlen können. Sie sehen was ich durchmache und stehen mir bei. Es geht ihnen ja nicht viel anders. Das ist ein schönes Gefühl – mein Gefühl von Melbourne.