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Port Barton

Einmal Aussteigen, bitte.


Ich habe viele Orte dieser Welt gesehen und inzwischen weiss ich genau, wann mir ein Ort gefällt. Als wir mit unseren Rucksäcken auf dem Rücken durch die feuchte Mittagshitze entlang dem vom Regen aufgeweichten Pfad ins Dorf laufen, kriege ich sogleich Gänsehaut und sage zu Sarah: „Das hier, das gefällt mir.“ Alles ist grün, wie es saftiger nicht sein könnte. Die Blüten an Bäumen und Büschen vervollständigen die Farbpalette, welche die Natur hier von Michel Angelo geborgt hat (oder umgekehrt). Alles überthront von den Palmen, die Platzhirsch sind und erst vom türkisblauen Meer aufgehalten werden. Am Wegrand grast ein Ochse, im Haus nebenan tummelt sich ein Schwein im Schlamm und die Hühnermama versucht verzweifelt ihre Küken zusammenzuhalten, wenn mal wieder ein kleines Motorrad durchbraust. Im Dorf findet man ältere Damen und Kinder. Die anderen sind auf den Feldern oder arbeiten in einem kleinen Geschäft aus Blech oder Bambus oder in einem der kleinen Restaurants oder Gasthäusern, die den Tourismus sanft nach Port Barton gebracht haben. Mit ihnen kamen auch die Ausländer.

Wir finden es erstaunlich, hier heute noch so einen Ort vorzufinden. Meist ist das Idyll von kurzer Dauer. Internet, viral, Idylle adé. Es ist einer dieser Orte, in denen der Backpacker alles findet, was er braucht und das zu einem Preis, der im teuren Palawan kaum mehr zu finden ist. „Als Erstes kamen die Israelis ins Dorf“ meint Rob, Besitzer des Mojito Restaurants. „Israelis entdecken Orte, weil sie kein Geld ausgeben wollen“. Später folgten Weitere. „So um die 10 pro Tag waren es noch vor ein paar Jahren. Einige davon sind hängen geblieben.“, meint er und zeigt auf sich selbst. Er wurde vor einigen Jahren in Kanada mit Multipler Sklerose diagnostiziert. Der Arzt gab ihm 2 Jahre mit Medizin bevor er im Rollstuhl sitzen sollte. Rob sagte: „Fuck You!“, ging mit seiner Frau auf Reisen und fand hier sein neues zu Hause, dass ihn glücklich macht. Er ist weit über die 2 Jahre hinaus und meint: “Wenn das Herz glücklich ist, dann mag es auch Leben.“

„Welcome to the Jungle!“ Wir schlafen im Bambusbungalow, mit Moskitonetz über dem Bett, dessen Matratze zwar leicht durchgelegen ist, aber vom zittrigen Ventilator an der Decke so gekühlt wird, dass es sich angenehm schlafen lässt. Das Dach aus Palmblättern lässt keinen Tropfen durch. „5 Jahre ist es nun drauf und nur einmal war’s nicht dicht – Mann, wurde der nass!“ Das ist Brian. Von der Terrasse aus unterhalten wir uns mit ihm, dem Mit-Besitzer, einem Kiwi, der hier seine Zelte aufgeschlagen hat. Um zu erfahren, wer Brian ist, muss man nicht viel reden. Er ist einer dieser Menschen, denen man ihr Leben ansieht. Der weitgereiste Neuseeländer hat sein altes Segelboot draussen im Meer geankert und kommt tagsüber aufs Land, um seine Gäste zu begrüssen. Er hat weit mehr als nur die 7 Weltmeere gesehen. Heute führt er 4 Bungalows zusammen mit Jerry, seiner philippinischen linken Hand und seinem einheimischen Ziehsohn Jacob. „Port Barton hat inzwischen alles, was man braucht. Vorausgesetzt, man braucht nicht viel. Here, have a coffee!“

Leute wie Rob und Brian haben die Ruhe im Paradies gesucht. Eine kleine, normale Welt, in der sie sich verwirklichen können. Persönlichkeiten, die Port Barton ihre Heimat nennen, die Locals und die Ausländer zusammenbringen, darin erstarkt sind und nun von Lebenslust sprühen. Ich denke, das beschreibt Port Barton am Besten, wenn man mich in Zukunft fragt, was es denn genau war, was es für mich ausgemacht hat. Für mich war es ein lebendiges, winziges Dorf, an einem der schönsten Strände überhaupt gelegen, umgeben von Regenwald, kreativen Menschen und diesem unbekümmerten Vibe, den es heute nur noch sehr selten gibt auf dieser Welt. Es hat sehr gut getan, mal wieder so etwas zu finden und darin elegant „Nichts“ zu tun.

Doch auch hier steht der Wandel an. Auch wenn Port Barton noch nicht überrannt wurde, wie das benachbarte El Nido, unserem nächsten Ziel, das Brian schlicht als „Shitty Town“ bezeichnet. Rob meint ausführlicher: „Früher gab’s hier 6 Stunden Strom pro Tag, heute sind es 20. Das ist super. Aber die Chinesen, das wäre eine Veränderung, die die Umwelt hier nicht verkrafteten würde. El Nido tut sich schon schwer, aber Port Barton würde das nicht verkraften. Besonders Respekt hat man deshalb vor dem neuen Strassenprojekt. Bislang verband eine schmale Feldstrasse Port Barton mit dem Rest von Palawan. In Zukunft soll eine 4-spurige Autobahn von El Nido bis Sabang (Underground River) an Port Barton vorbeiführen. Die Bauarbeiten sind am Dorfrand nicht zu übersehen. „Die sollen einfach bis zum Underground River durchfahren.“, meint Rob und fügt an: „Und bei mir zu Mittag essen.“

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