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Hong Kong

Es ist eng in Hong Kong


Hong Kong ist schon immer wieder eine Wucht. Die Fahrt durch die beinahe endlosen Hafengebiete über unzählige Brücken, welche die künstliche Insel auf der der Flughafen steht mit dem Festland verbinden. Bereits aus dem Flieger (vielleicht sogar nur von dort) konnten wir das neue Prunkstück chinesischer Baukunst begutachten. Die Lantau-Macau Brücke, die sich wie ein langer Wurm übers Wasser zieht und die Casino-Stadt nun nicht mehr nur per Schiff erreichbar macht. Die Hochhäuser schiessen in die Luft und werden immer enger und schmaler, je näher man Downtown kommt. Hong Kong ist ein Meisterwerk an Infrastruktur und das imponiert uns auch dieses Mal.

Hong Kong steht eigentlich nie wirklich auf unseren Reiserouten aber irgendwie verschlägt es uns immer wieder hier her. Es ist der perfekte Travelhub, wo viele umsteigen. Während meinen ersten Reisen nach China war es zudem eine bitter notwendige Oase an gesundem Menschenverstand und eine Pause vom Kulturshock. Wie jede Stadt der Welt verändert sich auch Hong Kong. Es fällt auf, dass viel mehr Chinesen vom Festland hier zu Besuch sind oder nun hier leben. Das erkennt man am typisch chinesischen Verhalten wie Spucken, Schreien und weiteren Verhaltensweisen, welche von den britisch erzogenen Hong Kongern als rücksichtslos und unangebracht angesehen werden. Zudem erhalten in Hong Kong geborene chinesische Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft, wodurch uns mehr schwangeren Frauen auf der Strasse aufzufallen scheinen als sonst wo.

Was sich nicht verändert hat, ist der Platzmangel. Wer denkt, Tokio ist eng, der war noch nie in Hong Kong. Die Zimmer in unserer Preisklasse sind klein und nicht mehr als ein Bett umgeben von vier Wänden, die durch Spiegel etwas an Grösse simulieren. Eng ist es hier. Mehr über die Wohnsituation und die Wirtschaft erfahren wir während einer Walking Tour durch Mong Kok, einer der am dichtest besiedelten Orte der Welt. Die Mieten erreichen exorbitante Höhen, die sich immer weniger Menschen leisten können, weil auch hier der Gap zwischen Arm und Reich unaufhaltsam grösser wird. Man kennt die Bilder der eindrücklichen Fotoreportagen aus den Wohnblocks, wo die Menschen auf kleinstem Raum in Käfigen wohnen, wo sie ihre Habseligkeiten jeweils einschliessen. Die Hochhäuser sehen von aussen aus wie Festungen, die man nicht mal verlassen muss, um alles zu bekommen, was man braucht. Diese Orte geniessen inzwischen eine so hohe Popularität auf Instagram, dass ein Verbot für Touristen verhängt werden musste, um die Privatsphäre der Bewohner zu schützen.

„Aber wie kann das sein?“ fragen wir uns, als wir an Tag 3 aus der Stadt fahren und sehen, dass nur kleine Bereiche von der Landfläche von Hong Kong überhaupt bebaut sind. Draussen herrscht Natur und es gibt wunderbare Wandermöglichkeiten mit Traumaussichten auf die Inseln und das Meer. Dragons Back ist die berühmteste Wanderung und ist der Beweis, dass man innerhalb von 30 Minuten in der Natur ist, wo wir vor Schlangen im Unterholz davonspringen und über Stock und Stein krabbeln. Es wäre also eigentlich genügend Platz für alle da.

Die ausserordentlich hohen Mieten rühren auch daher, dass niemand in Hong Kong mehr als 15% Vermögenssteuer bezahlen muss. Daher braucht der Staat eine andere Einnahmequelle. Jegliches unbebaute Land gehört infolgedessen der Regierung. Jedes Jahr geben sie in einer Versteigerung neue Parzellen frei, die entsprechend so viel Gewinn erzielen müssen, dass beim Landverkauf und Wohnungskauf der Staat genügend mitkassieren kann. Das stoppt zwar die Zersiedelung und hilft der Stadtplanung, macht aber reiche Immobilienbroker schlicht noch reicher. Da können wir in Zürich noch froh sein über die Preisentwicklung, denn was man hier für sein Geld kriegt, ist es in keinem Fall mehr wert. Entsprechend erstaunt es wenig, dass die 10 reichsten Hongkonger (6 davon Chinesen) bis auf 2 Ausnahmen alle aus dem Real-Estate Sektor kommen und Milliarden schwer sind, weil sie die Preise künstlich hochtreiben und so die Leute in Käfigen leben müssen.

Wir nächtigen in einem grossen Hochhaus (Lucky House), in dem unser Hotel eine Wohnung im achten Stock einnimmt. Nun sensibilisiert auf das Problem, merken wir, dass die Nachbarswohnung genau so eine ungewollte Zwecks-WG ist: ein Paar in den 80ern, zwei komische Jungs und eine seltsame Frau in einer schmutzigen Wohnung, die Räume durch Sperrholz getrennt, um aus 2 Zimmern 5 zu machen. Wohnverhältnisse, die einer solchen Stadt unwürdig sind. Wir drehen in unserem ultrakleinen Zimmer schon beinahe durch und beginnen uns auf die Nerven zu gehen, weil es am Platz fehlt. Als Fazit können wir sagen, dass es hier wegen den aktuellen Entwicklungen nur lebenswert ist, wenn man der oberen Mittelklasse (oder drüber) angehört.

Unsere Zeit in Hong Kong geprägt von intensiven Erlebnissen, vielen Menschen, einer exzessiven Halloween-Party, wo man schnell merkt, dass die Hong Konger einiges weniger verklemmt sind als noch die Japaner und das dies hier ein Schmelztiegel ist, wo die intensivsten und grundverschiedensten Kulturen miteinander leben – und eine Stadt hinterlassen, die als Gast faszinierender nicht sein könnte. Dazwischen finden wir noch Zeit unnötigen Ballast, der sich angesammelt hat nach Hause zu schicken und unsere nächste Destination vorzubereiten. Morgen geht’s.... (Trommelwirbel) in die Philippinen. Raus in die Natur, wo unser Zimmer (hoffentlich) wieder grösser ist, als nur ein Bett.

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