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Koya-San

Schlafen im Tempel (oder: Tofu, Tofu, Tofu)


Der Weg ist das Ziel. Dieses Sprichwort können wir auf unserer Fahrt nach Koya-San absolut nachvollziehen. Da unser JR Rail Pass leider abgelaufen ist, bummeln wir nun mit den lokalen Zügen durchs Hinterland von Japan. Die Fahrt dauert ewig, zum Glück habe ich mein Hörbuch (der Schwarm), das mich schon seit Beginn der Reise immer wieder unterhält, hat es denn eine Spielzeit von insgesamt fast 40 Stunden. Dazu kann man super zum Fenster rausschauen und das lohnt sich vor allem auf dem letzten Teil der Strecke zwischen Hashimoto und Koya-San. Der Zug schlängelt sich durch die herbstlichen Wälder die Berge hoch, da fühlt man sich doch fast wie in der RhB. Die letzten Höhenmeter müssen dann noch mit der Standseilbahn zurückgelegt werden, bis wir von der Sonne in Koya-San empfangen werden.

Umgeben von 8 Berggipfeln liegt die Hochebene Koya-San auf etwa 800 Meter über Meer. Koya-San wurde 2004 von UNESCO zu einer Stätte des Weltkulturerbes erklärt. Wir vermuten ja langsam, dass die Japaner, weil sie Papierkrieg so mögen, einfach gerne Sachen bei der UNESCO anmelden. Uns soll’s recht sein, denn anscheinend deckt sich unsere Auffassung vom Sehenswerten mit der der Japaner.

Historische Wichtigkeit erlangte Koya-San, weil Kobo Daishi, der Begründer des japanischen Shingon-Buddhismus, hier in Frieden ruht. Zwar ist das nicht ganz richtig. Anscheinend ist er nie gestorben, sondern in einen Zustand der ewigen Meditation übergegangen und nun sitzt er noch immer in seinem Mausoleum (Oku-no-in) und wartet auf die Ankunft des zukünftigen Buddhas.

Der 2 Kilometer lange Weg zu seinem Mausoleum und dem prachtvollen Tempel zu seinen Ehren ist gesäumt von einem alten Friedhof. Hier stehen mehr als 200'000 Grabsteine (eine Art buddhistische Säulen), unter anderem von Mönchen und Feudalherrschern, die im Tod Kobo Daishi nahe sein wollten und sich dadurch Erlösung erhofften. Wie alt die Gräber sind, zeigt sich an der dicken Moosschicht, was die Gräber noch mystischer und erhabener erscheinen lässt.

Ein anderer Grund nach Koya-San zu kommen, ist die Möglichkeit, in Tempeln zu übernachten (Shukubo). Dadurch schläft man im Tempel, bekommt vegetarische Mönchskost und darf der morgendlichen Gebetsandacht beiwohnen. Diese Erfahrung kostet einiges, wollen wir uns aber nicht entgehen lassen. Für solche Gelegenheiten haben wir ja unseren Batzen aus dem Kässeli.

Für den stolzen Preis bekommen wir denn auch ein hübsches Zimmer, natürlich traditionell japanisch mit Tatamimatten ausgelegt und Blick auf den Koi-Teich im Garten. Bei uns kommt der Verdacht auf, dass die Mönche nicht ganz so luxuriös nächtigen. Anyway, jetzt gibt’s erstmal Nachtessen. Es werden uns pro Kopf 4 kleine Tischchen mit je nochmals 3-4 Tellerchen und Schälchen aufs Zimmer gebracht. Wir wissen, Mönchskost heisst vegetarisch und sind gespannt. Er erklärt jedes Gericht: appetizer tofu, soft tofu, local tofu, fried tofu, tofu in soymilk, na dann guten Appetit. Da klingt sogar meine geliebte Seegrassuppe wie eine willkommene Abwechslung. Meine Sorge bleibt aber unbegründet, das Essen war ausgezeichnet und wir haben alles brav ausgegessen.

In unseren Yukatas und den japanischen „Zoggeli“ watscheln wir nach dem Essen zur heissen Quelle des Tempels, um uns noch ein Bad zu gönnen und den Abend ausklingen zu lassen. Schliesslich müssen wir morgen früh um 6.00 Uhr bei der Morgenandacht stehen. Beziehungsweise knien...wie machen das die Japaner nur geschlagene 50 Minuten lang?

Wenn wir auch noch etwas schlaftrunken sind, das morgendliche Gebet beeindruckt uns mit seinen Räucherstäbchen, Klangschalen und Glocken. Es ist wirklich interessant einen Blick auf uns fremde religiöse Traditionen erhaschen zu dürfen. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt.

Leider ist unser spiritueller Exkurs nach dem frühen Morgenessen (guess what: es gibt Tofu) schon zu Ende. Im Tempel heisst es um 9.00 Uhr auschecken und wir machen uns auf den Weg nach Osaka: last Stop in Japan.

Wort zum Sonntag: Ich möchte mich an dieser Stelle herzlichst bei Luki bedanken. Da ich so schreibfaul war, hat er hier immer fleissig getextet und gefötelet und so unsere Familien und Freunde auf dem Laufenden gehalten. Aber auch er braucht mal eine Pause, so dass ihr allenfalls in nächster Zeit etwas weniger Einträge oder etwas mehr Texte aus meiner Feder lesen werdet.

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