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Nagasaki

Das Takengai-Festival


Sokitchi weiss genau wo er hinläuft. Vorbei an den typischen roten Lampions eine Treppe hinauf, die gesäumt ist von Toriis. Er geht jedes Jahr ans Fest im Tempel, weil dort etwas ganz Spezielles geschieht, was ihn schon jeher fasziniert. Als wir ankommen, sind dort schon viele Leute und das Festival in vollem Gange. Es ist zwar nicht das Grösste aber für die Bauern umso wichtiger, denn nach einer Jahrhunderte alten Tradition werden die Shinto-Geister um eine erfolgreiche Ernte gebeten. In der Mitte des Platzes stehen ein kleiner und zwei grosse Pfähle aus dickem Bambus, in denen Sprossen aus Holz eingelassen sind. Auf einer kleinen Bühne beginnt eine Gruppe Frauen traditionelle Tänze aufzuführen. Dazu gespielt wird wunderbare Musik, die klingt, als käme sie direkt vom alten Grammophon. Gespannt verfolgen wir das emsige Treiben und ehe wir uns versehen, drücken uns 2 Mädchen mit einem verschmitzten Lächeln zwei Beutelchen Mochi in die Hände. Mochi, das sind klebrige Süssigkeiten aus Reis, die an Gummibären erinnern. Diese sind leider trotz ihrer bunten Farbe gar nicht süss sondern eher eine geschmacklose, klebrige Masse. Wir lächeln und winken und hoffen damit unser Gesicht zu wahren. Das Interesse der Leute am Fremden ist gross und wir spüren, dass niemand ein Problem damit hat, dass wir hier sind.

Der Tempelplatz ist inzwischen prall gefüllt mit Zuschauern und die Spannung steigt in den Gesichtern der Offiziellen. Dann geht es los. Zwei Kinder in weissen Kleidern und Fuchsmasken bewegen sich mit animalischen Gesten auf die Pfähle zu. Der Fuchs gilt als Beschützer für die Bauern und ist an vielen Tempeleingängen zu finden. Eine Gruppe spielt eine berauschende Flötenmusik, zu der das Publikum mit rhythmischem Rufen die Artisten anfeuert. Die Kinder klettern hintereinander die kleinere, schaukelnden Bambusleitern hoch und vollführen dort Kunststücke in schwindelerregender Höhe. „Sie fallen nie!“ meint Sokitchi, als müsste man es erwähnen. Das Publikum ist begeistert und versucht die Geschenke zu fangen, die die Füchse von oben in die Menge werfen. Diese Tücher bringen besonders Glück. Leider konnten wir keines fangen.

Die Menge wird wieder etwas lauter, als man die nächsten Artisten erkennt. Es sind zwei junge Erwachsene, die sich auf machen, die grossen zwei Stangen zu erklimmen. Diese geraten dabei ins Wanken und entlocken dem Publikum einige „UHs und AHs“ während sie ihre Kunststücke vorführen. Richtig eindrücklich wird’s, als beide ganz oben sind und von der einen schaukelnden Stange zur anderen springen. Mir fällt fast die Kamera aus der Hand und der alten Frau vor mir auch, weil ich sehr lautstark mitfieberte. Als wäre das nicht genug, werfen die Beiden dann weitere Geschenke in die Menge und als Abschluss zückt er etwas Grosses aus seinem Beutel. Wir können es zu Beginn nicht erkennen, aber erraten es am Geräusch... es ist ein Huhn! Ein lebendiges Huhn! „Wer dieses fängt, hat das ganze Jahr grosses Glück“! Und tatsächlich stürzen sich die Leute darauf, als es vom 10 Meter Masten runter flattert. Wir ducken uns, denn was wollen wir mit einem Huhn? Das wäre das wohl mühseligste Travelhaustier, das es gibt. Dann wären ab jetzt alle in unserer Nähe Morgens um 4 wach. Das junge Mädchen, dass es gefangen hat, liebkost es und jeder im Publikum möchte es mal streicheln. „Manchmal wird das Tier bei der Akrobatik ohnmächtig“ meint Sokitchi grinsend. „Dann fällt es etwas schneller zu Boden.“

Wir brechen auf und lassen den Locals ihr Fest für sich. Als ich mich nach Sarah umdrehe, sehe ich einen alten Mann, der ihr gerade etwas in die Hand drückt. Mit strahlenden Augen kommt sie zu mir geeilt: „Luueg Luki, wani übercho han!“ Es war eines der kleinen Pakete, die heruntergeworfen wurden. Als wir es öffnen, macht sich grosse Freude breit, denn es ist eines dieser rechteckigen bedruckten Tücher, die es in Nagasaki zu kaufen gibt, mit dem Motiv des Festivals – Füchse.

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