Auf der alten Poststrasse
„Aber richtig luut!“. Das sind wir uns einig, wenn es darum geht, die grosse Glocke am Wegrand zu schlagen. Dies hat für einmal nichts Religiöses, sondern dient dem Bären klar zu machen, dass es hier nichts zu holen gibt. Bereits in Yudanaka haben wir uns gefragt, warum die Wanderer stets mit einer Glocke am Rucksack rumliefen und wir haben es vermutet. In der Touristeninfo kann man diese Glocken sogar ausleihen und als Versicherung am Strassenrand gibt es 10 Stück auf den Weg von Magome nach Tsumago. Die Gärten der Bauern unterwegs sind alle mit grossen Netzen abgesperrt. Auch wenn man hier gern übervorsichtig ist... it seems to be a thing.
Wir befinden uns auf der Nakasendo. Naka = Central, Sen = Mountain, Do = Road. Die Handelsstrasse, die seit Jahrhunderten Kyoto mit Edo (Tokyo) verbindet. Wir treffen unterwegs John. Oder ihn so zu nennen sei jedenfalls am einfachsten. Gut möglich den John ist Süd-Koreaner. Er läuft die ganze Strasse von Kyoto bis nach Tokyo und er verzweifelt. „Seit Kyoto ist alles nur geteert. Meine Knie machen das nicht mit“. So wies aussieht haben die antiken Japaner schon damals die beste Route gekannt und sie in der Neuzeit zu Highways ausgebaut. Das Teilstück zwischen den beiden Postdörfern Magome und Tsumago verläuft hauptsächlich durch Nadelwälder und Bambushaine. Vorbei an rustikalen, klassischen Wohn- und Amtshäusern. Hier gab es alles von Unterkünften, Tränken, Nudelhäuser (für alle Arten von Nudeln) und Pferdetauschstationen. Kräftig bimmelnd, wandern wir die Route mit grossem Respekt, denn man kann die Samurai beinahe rufen hören.
Als die Eisenbahn vor gut 100 Jahren kam, war es dann vorbei mit dem Reichtum der Dörfer. Sie verarmten und gerieten in Vergessenheit, bis man sie für den Tourismus restaurierte. Und das hat man richtig gut gemacht. So wie es schon immer ein Dorf war, das die Bedürfnisse von Durchreisenden nachkam, so tut es dies auch heute. Während Magome etwas zu neu aussieht, so wurde Tsumago bereits vor 20 Jahren restauriert und sieht heute schon bereits wieder alt aus. Charmant alt. Uns gefällt dieser Sprung durch die Zeit. Wir erinnern uns an Fenghuang in China, diese Stadt am Fluss, die aussah, wie aus der glorreichen Vergangenheit. Was wir besonders schätzen, ist der Gepäcktransport. So können wir die 8 Kilometer unter die Füsse nehmen, ohne unsere 20kg auf dem Rücken und nehmen unser Gepäck nach der Wanderung bequem wieder in Empfang.
Am Morgen früh waren alle Berge in Nebel gehüllt. Das mit dem Nebel ist ja ein wenig unser Running-Gag. Sprich, jedes Mal... okay nicht ganz jedes Mal, aber meistens wenn wir mega viel Aufwand betreiben, um etwas Bestimmtes zu sehen, dann ist dort bestimmt Nebel. Zwei Beispiele: Mt St. Helens in den USA und den Seetempel auf Bali. Hier in Japan hat es uns damals vor 2 Jahren den Mt Fuji unsichtbar gemacht, obwohl wir genau davor gestanden sind. Und der Fuji ist kein kleiner Berg. Und auch dieses Mal war an dem Tag, an dem wir Zeit für einen Besuch gehabt hätten natürlich was?... Nebel.
Auch für Magome sind wir weite Wege gereist. Mit dem Shinkansen nach Nagoya und mit dem Bummelzug nach Nakatsugawa und von dort mit dem Bus hoch nach Magome. Wir haben uns also ein bisschen Sonne verdient. Und die kam dann auch und hüllte die Berge in ein wunderbares Licht. Ach ja, und die Bären, die haben wir nicht gesehen – kräftig genug haben wir gebimmelt. Den Fuji dafür schon. Aus dem Shinkansen nach Nagoya. Hier der Beweis.