Nerd-Catering: Miau und Au(a)!
Hier in Zentraljapan ist Tokyo der Hauptverkehrsknotenpunkt. Bevor wir in den Westen reisen können, müssen wir also zurück in die Hauptstadt. Das ist ein kleines Übel, denn uns ist in den letzten Tagen klar geworden, wie sehr wir Tokyo mögen. Somit war die Entscheidung noch ein, zwei Tage anzuhängen dann keine schwere.
Wir werden gefragt, ob denn in Tokyo auf Grund seiner Grösse nicht pures Chaos herrscht. Dem ist nicht so. Eher das Gegenteil. Wir empfinden die Stadt als eine der entspanntesten Städte der Welt überhaupt. Das hat damit zu tun, dass hier jedes Rädchen ins Andere greift, alles funktioniert perfekt. Das beginnt beim öffentlichen Verkehr und geht über in die Menschen. Auch während der Rushhour bewegen sich die Menschenströme gezielt und geordnet und wenn man sich einordnet, dann braucht man nicht mehr Zeit, als wenn die Züge leer sind. Am Zürcher Hauptbahnhof herrscht mehr Stress als in Shibuya, der höchst frequentierten Kreuzung der Welt. Das hat mit der Einstellung der Menschen zu tun, die hier in solchen Situationen im Kollektiv denken und nicht im Ego, so wie der (westliche) Rest der Welt es tut. Japan allgemein ist ein geöltes System, das nur funktioniert, wenn alle mitmachen.
Auch wir entspannen uns wie die Japaner und verbringen Zeit im Katzen-Cafe. Und ja, es ist so wie man es erwartet. Man betritt einen Raum, bekommt einen Kaffee und setzt sich dann hin um entspannt Katzen zu streicheln oder Mangas (über Katzen) zu lesen. Viele Japaner haben aus verschiedenen Gründen nicht die Möglichkeit ein Haustier zu haben. Dies kompensieren sie in diversen kleinen Streichelzoos, die in der Stadt verteilt sind. Wir können es nachvollziehen, es ist eine unschuldige Art abzuschalten.
Unsere Rückkehr nach Tokyo gab auch mir die Möglichkeit gleich zwei Träume zu erfüllen. Erstens: Shinkansen fahren – Check. Zweitens: Eine Grossveranstaltung der Japanischen Wrestling-Liga New Japan Pro Wrestling besuchen. Für die, dies interessiert, bitte unten weiterlesen. Für alle Anderen: Dies war für mich ein Magic Moment der Reise. Etwas, auf was ich mich lange gefreut habe und nicht jeden Tag so passiert. Solche Momente machen es aus. Wir spüren Tokyo so sehr, dass wir am liebsten nicht mehr wegmöchten, sondern die Sprache lernen und tiefer eintauchen. Diese Stadt gibt uns alles, was wir zum leben brauchen. Wir haben Mangas gekauft und schauen Anime auf dem Handy – Japan Style. Wir essen alles, ohne uns sorgen um die Hygiene machen zu müssen. Und schon nur den Fakt, nachts um 10 Uhr im Dunkeln quer durch die Stadt heimlaufen zu können, ohne irgendetwas befürchten zu müssen, ist ein Luxus, den es kaum mehr irgendwo gibt auf der Welt.
NJPW – King of Pro Wrestling
Jaja, ich weiss, es ist doch alles gespielt, so what’s the point. Wie kann man Fan von so einer übertriebenen Inszenierung sein und nicht von realem Sport? Ich frage: Wie kann man Fan von Champions-League Fussball, einem Sport, wo Arschlöcher einen Gentlemen-Sport betreiben und das Team, das es besser versteht gegen die Regeln zu verstossen, gewinnt? Wo die Wirtschaft und Politik dahinter die kleinen Unterdrückt und die Grossen noch grösser macht? Wo kleine Kinder überall auf der Welt Messi und Ronaldo als Vorbild sehen – die wohl grössten Affen im Zirkus? Dann bin ich lieber Fan von Sports Entertainment, von Idolen meiner Kindheit und auch wenn es ein Schauspiel ist, so ist es eben genau das. Obwohl ich genau weiss, dass es gespielt ist, so lasse ich mich von der Dramaturgie, der Akrobatik und den Larger-than-Life Persönlichkeiten abholen, die sich durch die Ränge hochkämpfen und dabei alle Stadien einer Karriere durchmachen, bei der Realität und Fiktion oftmals verschmelzen. Dabei kommt es darauf an, wie gut sie bei den Fans ankommen, Backstage trainieren, menschlich vorankommen und wie professionell sie sind, damit die Liga dahinter sich genau für dich als Champion entscheiden, das Gesicht, das in Zukunft die Sitze füllen soll. Ich lasse mir gerne etwas vorgaukeln, denn wenn jemand es schafft, mir etwas derart gut vorzuspielen, dass ich ihm glaube, dann ist er richtig gut, in dem was er tut. Und die Athleten von New Japan Pro Wrestling sind darin Weltklasse. Und das begeistert mich und genau deswegen freue ich mich auf die Show.
Bereits am Bahnhof von Nagano habe ich Fans erkannt, die in ihren T-Shirts auf den Shinkansen warteten. Hier hatte ich zum ersten Mal Gänsehaut, als ich merkte: now it’s getting real. Schon nur dieses Gefühl war das Eintrittsgeld wert, wenn ich kann mich nicht erinnern, wann ich das zum letzten Mal hatte. Wenn man realisiert, dass man bald am gleichen Ort der Welt ist, wie die Band, der Künstler, Schauspieler oder eben Wrestler, die man nur aus dem TV kennt. Dieses Fanboytum, das in mir früher steht’s einen Kick ausgelöst hat, was mich immer wieder zu Konzerten gehen lies, bis das Gefühl dann gesättigt gewesen ist und irgendwie nie zurück kam. Heute hatte ich es zum ersten Mal seit Jahren wieder.
Die Show war in der Halle angesetzt, in der normal die Sumo-Turniere stattfinden. Sie fasst 11'089 Menschen und speziell dabei, weil es eine Sumohalle ist, sind die vorderen Sitze alles 4er Abteile, wo man auf dem Boden sitzt. So auch heute. Die Stimmung war klasse. Das Japaner ihre Idole etwas mehr feiern, als andere Kulturen war mir bewusst, dass die aber sonst so zurückhaltenden Asiaten so laut werden können und sich so emotional verausgaben können, ist mir neu. Gut, das Programm war natürlich auch Weltklasse. Kenny Omega, Kota Ibushi und Cody Rhodes im Hauptkampf und Überraschungs-Auftritt von Chris Jericho... da liessen auch wir uns anstecken und als Sarah mein Handy forderte, damit sie die Storylines nachlesen konnte, hätte ich sie am liebsten aufgefressen.
Bilder 3-9 von NJPW Website (Kamera zu Hause gelassen)