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Nikko

Von Geschenken und Shogunaten


Wir tauschen die Neonlichter gegen Nadelwälder. 120 Kilometer fahren wir hinaus mit dem local train, müssen dabei vier Mal umsteigen und fahren durch eine Landschaft, die unserer daheim, nicht ganz unähnlich ist. Bewaldete Hügel, etwas nebelverhangen und zig Felder, auf denen Kühe grasen. Wo bei uns Korn wäre, sind hier Reisfelder, welche die zersiedelten Häuser miteinander verbinden. Dies ist ein Unterschied. Im Wald findet man neben Laub und Nadelbäumen immer wieder Bambus und auch die Häuser sind anders. Es ist so bekannt aber doch so fremd, so dass man sich zurecht findet, aber jeden Tag ein neues Abenteuer erlebt.

Nikko heisst der Ort, den wir besuchen. Er wird oft als Tagesausflug von Tokio aus bereist, aber wir haben Zeit und buchen gleich zwei Nächte. Hier oben ist es merklich kühler und feucht, was sich im Nebel zeigt, der über den Bergen hängt. Im Dorf und den berühmten Tempeln wächst das Moos überall und hüllt alles in einen grünen Schleier. Dieses malerische Bild hat schon in der Mitte des 8 Jahrhundert Buddhistische Priester inspiriert, die hier als Erste siedelten. Ruhm erlangte es, als man Nikko als letzte Ruhestätte für den Warlord Tokugawa Ieyasu auserkohr, der das Shogunat einrichtete, das Japan mehr als 250 Jahre regieren sollte. Entsprechend prunkvoll sind die Tempel hier, umgeben von grossen Nadelbäumen. Früher Vogel fängt den Wurm denken wir und gehen gleich zur Öffnung um 8 Uhr zu den Tempeln. Das war auch eine gute Idee, denn bereits um 9 Uhr kamen die Busse mit frühaufgestandenen Schulklassen und Geschäftsausflügen aus Tokio an und geniessen ihren Ausflug in die Geschichte.

Der Fotograf schiesst fleissig Klassenfotos, wobei die Schüler ihre farbigen Mützen, die zur Gruppenzuordnung dienen, abnehmen dürfen. Wir werden einige Male von Kindern angesprochen, die mit ihren Blicken tief in ihre Exkursionshefte mit uns einen Englisch-Dialog führen möchten/müssen. Eine andere Gruppe verteilt sorgfältige Origami an Ausländer. Natürlich darf auf einem Klassenausflug die Schule nicht zu kurz kommen und wir gehen davon aus, das im Anschluss noch ein heftiger Aufsatz ansteht.

Unser Tag führt uns weiter dem Fluss entlang, wo sich alte, vom Moos überwachsene Buddha Statuen aufreihen, bis zu einer Bushaltestelle, die uns den Berg hochführt. Weiter oben befinden sich die Onsen-Dörfer (Badekurorte) malerisch an einem See gelegen und ab und an von japanischen Affen heimgesucht. So selbstbewusst wie dieser Affe in den Laden reinlief, wusste der genau wo seine Lieblingskekse standen.

Für die Japaner sind Geschenke sehr wichtig. Auf Besuch, wer einen neuen Job anfängt oder einfach so, bringt man Geschenke mit. Meistens in kleinen, edlen Boxen packt man die Mondküchlein, Pralinen oder Kekse. Was gut ist für die Wirtschaft, denn wer ein Geschenk erhalten hat, ist danach in der Schuld und muss etwas zurückschenken, worauf dieser dann wieder in der Schuld steht... Weshalb es hier in Nikko zigtausend solcher kleiner Geschenkläden gibt, bei denen reihenweise Busse vorfahren, die ganze Seniorenheime oder (ohne Witz) Schulklassen vorfahren und durch den Laden hetzen, damit sie schön einkaufen.

Nach Sonnenuntergang (17:30) klappen sie hier dann die Trottoirs hoch. Die Tagesgäste sind wieder weg und das Dorf stellt sich einmal kurz Kopf. Die Touristenrestaurants schliessen und die für die wenigen Locals öffnen und Nikko ist wieder so verschlafen, wie es vor dem Touristenansturm einmal war.

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