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Bukit Lawang

(Teil 1) Der Mensch des Waldes


„Mein Vater und sein Vater sind Kautschukbauern. Früher lies sich damit gutes Geld verdienen.“ Jion wurde in die Kautschukplantagen geboren und so war sein Leben vorbestimmt. „Ich konnte nie eine Schule besuchen, alles was mir blieb, war das Leben eines Kautschukbauern. Man muss die Pflanze mit Sorgfalt behandeln und darf nie zu gierig sein, denn wenn man das ist, stirbt sie viel zu früh.“ Er zeigt auf die Kokosnussschale, die prall gefüllt ist mit der weissen, zähflüssigen Masse. Fürs Auge beinahe unsichtbar, läuft sie über den geritzten Kanal den Baum hinab. „Dieser Baum wird nicht lange leben, denn der Bauer hier ist zu gierig.“

Die Preise für Kautschuk sind so tief wie noch nie, was viele Arbeiter ins nächste Business treibt, demjenigen für Palmöl. Das wollte Jion nicht. Er liebt die Natur, ist mit dem Menschen des Waldes aufgewachsen und hasst es zu sehen, dass die Plantagen sich nun bis an die Stadtgrenze erstrecken. „Mein knurrender Magen hat mich in den Tourismus gebracht,“ erzählt er. Er zeigt den Gästen seinen Wald gerne: „ohne Touristen kein Wald und ohne Wald keine Orang Utans. Ohne Orang Utans kein Bukit Lawang“ schliesst er den Kreis.

Heute spricht er gutes Englisch und viele andere Sprachen, was ihm ab und an ein stolzes Lächeln entlockt. Er ist generell ruhig und konzentriert, hat die Augen eines Adlers und die Ohren eines Hasen. Er bleibt immer wieder still stehen, wenn er was entdeckt hat. Die Feuchtigkeit der Luft hat uns schon durchnässt. Es ist gut, dass Jion voraus geht, denn immer wieder entdeckt er Tiere und Pflanzen, von denen wir uns fern halten müssen. Wir Westler sind nicht für den Dschungel gemacht und finden ihn genau darum so faszinierend. Für mich war es stets ein Traum gewesen, ein Mal im Leben den Regenwald Sumatras zu erleben und nun laufen wir hinter Jion her, immer etwas tiefer in genau diesen Wald.

Es dauert nicht lange, bis er inne hält und nach oben zeigt, „Dort, ein Orang Utan!“ Und wirklich, keine 30 Minuten unterwegs, treffen wir den Menschen des Waldes, was Orang Utan übersetzt heisst. Mit seinen langen, kräftigen Armen zieht er sich auf einen Ast und schaut uns genauso an, wie wir ihn. Direkt in die Augen. Und spätestens jetzt merken wir, das dies nicht nur einfach ein Tier ist, sondern einer unserer nächsten Verwandten. Eine weitere Gruppe von Wanderern gesellt sich hinzu und teilt das Erlebnis. Es sollte nicht bei dieser einen Begegnung bleiben. Im Verlaufe des Tages haben wir das Glück noch circa zehn weitere Menschenaffen zu erspähen, wobei auffällt, dass jedes Tier einzigartig ist. Uns wird klar, dass hier kein triebgesteuertes Tier unterwegs ist, sondern eines mit Verstand und viel Intelligenz. Viele der Tiere sind den Guides bekannt und auch ihre Eigenheiten. „Viele der Guides haben sie gefüttert und jetzt haben sie ihre Strategien entwickelt um immer wieder an dieses Futter zu kommen.“ Sie schleichen sich von hinten an und öffnen den Rucksack oder sie halten dich an der Hand, bis sie genügend gefüttert wurden. „Von mir kriegen sie nichts, das wissen sie, deshalb braucht ihr keine Angst zu haben.“

Einige der Tiere sind von der Aufzuchtstation, die in den 70ern zur Rettung der Tiere ins Leben gerufen worden ist. Reiche hielten sich gerne Orang Utans, oftmals in kleinen Käfigen oder Zoos, die keine Acht auf Haltung geben. Diese Tiere fanden hier ein Zuhause und wurden über die Jahre wieder ausgewildert, bis die Station 2014 ihre Pforten schloss. Mina wurde von ihrem Besitzer misshandelt und mag auch 10 Jahre später noch keine Menschen, weshalb eine Begegnung mit ihr gefährlich sein kann. Jion meistert das Rencontre mit ihr gekonnt und wir können weiter.

Wenn man kurz Pause macht und sich ruhig den Boden anschaut, sieht man wie sich alles bewegt. Ameisen bahnen sich ihren Weg an allem vorbei, räumen den Boden von heruntergefallenem Laub und toten Käfern. Darunter ist ein dichtes Geflecht aus Wurzeln, die den Bäumen wie Tik oder grossen Redwoods halt geben. Es ist ein Labyrinth durch das wir uns fortbewegen wobei beim hinauf sowie hinab die Wurzeln und Lianen willkommene Halterungen sind, stets in Acht, dass nicht irgendwo eine Schlange lauert. Nach 8 Stunden im Wald erreichen wir unser Camp für die Nacht, idyllisch in einer Schlucht am Fluss gelegen, treffen sich hier alle, die eine Nacht im Wald verbringen möchten und waschen den Schweiss bei einem Bad im Fluss ab.

Wir sind mental und körperlich erschöpft. Der Dschungelwandernde zollt seinen Tribut. Als ich mir eine Zigarette anzünde meint Jion relaxt. „Rauchen ist gut für die Umwelt, denn es gibt eh schon zu viele Menschen“.

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