Über den Wolken
Lange ist es her, dass ich mal aus einem Flieger geschrieben habe. Doch endlich habe ich mal wieder Zeit, das zu tun und das freut mich sehr, denn hoch oben in den Wolken zu sein, hat für mich immer noch etwas verträumtes und Sentimentales. Das sind ja eigentlich genau die Momente wo man schreiben sollte. Was habe ich bereits an Worten in diese Tasten gehauen in den letzten Jahren - Aber jeden Tag dazu in Stimmung sein, das ist eine Kunst, die ich nach wievor nicht beherrsche. Die Passion ist manchmal höher, manchmal tiefer. Aber es ist die einzige Regelmässigkeit in meinem Leben und daran halte ich fest. Der Rest ist Chaos. Tolles Chaos.
Um mal kurz den Tag zusammenzufassen: Während Marko und ich gestern nochmals einen drauf gemacht haben - richtig einen draufgemacht haben - bin ich inzwischen mit meiner inneren Uhr so vertraut, dass ich keinen Wecker stellte, aber pünktlich um 12 aufgewacht bin. Packen usw ging schnell von der Hand. Einige Kleidungsstücke aussortiert und ab an den Flughafen. Natürlich mit dem Bus für 1 Dollar 50. Der guckte recht Doof, das hier ein Tourist mit ihm Fahren will. ALso nicht der Bus guckte doof, der Fahrer. :D
Dann durfte ich feststellen wie unglaublich zufällig das Screening-System der Amerikaner ist. Per Zufallsgenerator werden Reisende ausgesucht, deren ganzes Gepäck voneinander genommen wird. Alles. Hab ich ja kein Problem damit. So passiert in St Maarten. Dann in San Juan noch mals. Rein "zufällig" pickte das System genau die gleichen 5 Leute raus in San Juan, wie auch in St Maarten. Aha, zufällig. Ich glaube das System sucht sich einfach auffällige Menschen raus, denn wir alle hatten gemein, dass unser Pass mit Stempeln bis drüber hinaus gefüllt waren. Weil ich ja in Columbien Kokain Produziere und mein Gepäck von Kanabis überquillt. Ihr könnt mich doch mal. Letztes Jahr hatten sie mich schon genauso rausgenommen. Damals aber als Einziger. Die mögen mich nicht, die Behörden. Ich sie auch nicht, wie ich ihnen lautstark klar gemacht habe, als sie sagten, dass der Flieger nicht warten werde, sollte die Kontrolle länger dauern.
Ich klicke mich durch die Bordunterhaltung. Da steht: Zu ihrer Unterhaltung. Hmm. Es gibt den Film "Argo" - auf Spanisch. Und schon die ersten 10 Sekungen klingen lächerlich. Nein, das geht nicht. Und Film Nummer 2 "Twighlight" tuh ich mir prinzipiell nicht an. Da bleibt nur noch die Nummer 3. Diese ist, als könnte es anders nicht sein, "UP". Ja, genau! "UP!" Der tolle Animationsfilm über einen alten Mann, der mit seinem Haus zu den "Paradise-Falls" fliegt. Oder auch zum Roreima. Es ist nicht nur, dass mich der Film an mein Scheitern an eben diesem Roreima aus dem Film, erinnert, was mich traurig macht. Ich bin wenn es um meine Emotionen geht meist recht Cool, kann sie unterdrücken. Wenn dann aber ein Auslöser kommt, ein Triggerpoint, dann ist es, als würde sich ein Kanal öffnen und alles plötzlich wieder durch den Panzer bis zu mir vordringen. Up ist so ein Triggerpoint.
Ich schaue wehmütig aus dem Fenster. Damit bin ich definitiv Weg aus Latinamerika. Mir gehn viele Dinge durch den Kopf. Der verpasste Roraima. Meine Probleme mit den Reisenden Ausländern und ihrem Sexualtrieb. Aber auch wie Jenny und ich Brazilien erobert haben wie Elo und ich uns durch den Canyon und auf den Macchu Picchu gekämpft haben. Wie ich damals die Maya im Flieger getroffen habe, wir all diese Verbindungen entdeckten und wir beinahe ihre ganze Reise geteilt haben. Wie Andrea und meine Freundschaft durch die gemeinsame Zeit in Belize und Guatemala gewachsen ist. Oder dass ich Latinas nicht mag. Nicht Menschlich, einfach so vom Aussehen. Das ich finde, dass die alle zu Dick sind. Genauso wenig gefallen mir die meisten Städte, die einfach, sorry, nicht schön sind. Ich habe herausgefunden, dass ich den Urwald liebe und das mich Berge besteigen anpisst, bis ich oben bin und der ganze Stress wie weggeblasen ist. Wie damals mit Marc in Antigua. Oder dass ich im Jungle überlegen kann, dass ich fähig bin mich am leben zu erhalten in extremen Situationen, die ich mir selber auferlegen musste, weil ich mich sonst langweilte. Dass ich meine Freunde vermisse und ihre Anwesenheit und ich endlich schätzen kann, wie wichtig es ist, offen und ehrlich mit ihnen zu sein. Was habe ich mich verändert auf dieser Reise. In vielen, kleinen Details.
Ja, dass geht mir durch den Kopf.
Ich überrasche euch, meine lieben Lesen, immer noch gerne und werde deshalb meine Reiseroute nicht offenbaren. Aber eines ist klar, bald geht es zurück nach Europa. Aber noch nicht nach Hause. Die Ehrenrunde ist angesagt. Auch das geht mir durch den Kopf. Es bedarf noch an Vorbereitungen. In New York gab es bis vor wenigen Tagen noch Blizzards. Und mein Rucksack strotzt ja nur so von Winterkleidern. Zudem habe ich vor, einige Freunde zu überraschen. Das ganze bei der Kälte... ich bin etwas nervös. Ich werde auf jeden Fall erstmal am Flughafen bleiben, um die Zeit mit meinem Sack und Pack durch die Stadt rennen, ist mir nicht. Morgen geht es weiter.
Jetzt lehne ich mich erst einmal zurück und geniesse die Romantik des Fliegens bei einem Glässchen Rotwein. Ja, das ist gut.