Die Odissey auf Venezulanisch
Billigflüge sind billig, weil sie oft gerne zu Randzeiten fliegen. Umso überraschender war dann für mich, dass nach meiner Landung in Boa Vista um 0:45 kein Taxi mehr zu Verfügung stand. Die Locals verschwinden in ihren Autos und düsen über den langen Weg in die Stadt davon. Was nun? Wie komme ich weiter? Wohin muss ich überhaupt? Santa Elena ist mein Ziel und das ist genau alles was ich von dem Ort weiss. Und so beginnt meine Odyssey.
Watson kombiniert und stellt fest, das die zu Verfügung stehenden Taxis mit den grossen Flügen getimet sind. Ein Blick auf die einzige funktionierende Anzeigetafel verrät (Auf den anderen läuft ein Windows-Bildschirmschoner) schaue ich nach dem ersten Flug morgen. Es werden genau 3 Flüge für den häutigen Tag erwartet. Den ersten um 3 Uhr Nachmittags. Na super. Ich versuche mich am einzigen funktionierenden Geldautomaten (auf den andern läuft ein Windows-Bildschirmschoner) etwas zu beziehen. Ich verfüge noch über 60 Real, rund 30 Dollar. Das ist wenig. Wer weiss wo in Venezuela die Geldomaten stehen, ob meine Karten funktionieren und obs überhaupt welche gibt oder ob der Staat nach der stetigen Inflation die Währung ganz abgeschaft hat und wieder mit Steinen handelt. Doch ich bin Müde, habe die letzten Tage und Nächte unregelmässig oder gar nicht geschlafen. Ich suche mir eine Ecke und stelle den Wecker auf 7 Uhr. Dann schauen wir mal weiter.
"Do you wanna Party with the BONAPARTE???!!!" Zäck und ich bin wach. Dieser Weckton funktioniert einfach fantastisch. Leider kriegt diese tolle Musik ausser mir niemand mit, denn der Flughafen ist leer - ausgestorben. Nun, dann schauen wir mal. Ich verspüre keine Lust zu warten und beschliesse mir mein Gepäck zurecht zu machen (17Kg auf dem Rücken und 8 vorne) und beginne den Marsch in die Stadt. Ich habe kein Wasser und kein Essen und wenn hier bis um 3 Uhr nichts geht, kann ich auch los. Ich laufe über Wiesen und Steppen, immer entlang der neu gebauten Strasse. Nach gut 30 Minuten erblicke ich einige Gebäude und auch das Fussballstadion. Mir fällt auf, dass wir in Brasilien gar nie Fussball geschaut haben. Hier finde ich Essen und per Zufall ein Taxi, dass mich zum Busbahnhof fährt. Wir sind hier in der Pampa. Besser gesagt in Romeira, der Grenzgegend zu Guyana und Venezuela. Die Umgebung sieht leicht heruntergekommen aus. Moderne Infrastruktur beisst sich mit Wellblechhütten und zum ersten Mal seid langem hatts sträunende Hunde. Der Himmel ist bewölkt, das ist mein Glück, denn sonst würde es hier mit 35-40 Grad herunterbrennen.
Am Busbahnhöfchen gibt es dann eine ernüchternde Auskunft. Der einzige Bus über die Grenze nach Santa Helena fährt um 7 Uhr - Morgen früh. Kurz überlege ich mir, das abzuwarten, aber ich kann nicht schon wieder an einer Haltestelle schlafen. Vor allem ist es erst 9 Uhr. Hotel liegt nicht drin, weil auch hier die Geldmaschinen auf Windows gesetzt haben und Vaga General veranstalten. Auch ansonsten ist hier nichts los. Kein Essenstand hat auf, nicht mal Bobs Burgers will mir was geben. Zum Glück haben wir in Santa Clara uns so gemästet, dass ich das eigentlich überleben sollte.
Da erspähe ich einen kleinen Schalter, in dem Licht brennt. Wie eine Mücke angezogen ziehts mich hin. Die nette Dame erklärt mir in sauberstem Spanisch, das ich sogar verstehe, dass sie mir ein Taxi rufen könne. Ich erwidere und wedle mit meinen 45 übrig gebliebenen Reals. Sie meint, kein Problem, kostet nur 30! Innerlich juble ich und bitte sie mir ein Taxi zu bestellen. Mit Kushand verabschiede ich mich und setze mich draussen hin. Es dauert knapp eine Stunde, bis ein Grün angeschriebenes Interregionaltaxi mich aufliesst. Darin sitzen bereits ziemlich Venezuelanisch aussehende Menschen. Es geht über Stock und Stein richtung Grenze. Ich döse vor mich hin, während am Fenster eine Herbstliche Steppenalndschaft vorbei zieht. Die Bäume tragen rote Blätter und entblössen ihre Weissschwarzen Stämme. Dazu kommen die Berge immer näher und ich weiss, da hinten, da ist Venezuela. Ich traue mich keine Bilder zu machen, denn wirklich sicher bin ich der Sache hier nicht. Obwohl die die Malerischen Orte namens Monte Christo und Santa Marta gerne festhalten würde.
Doch ich habe noch immer keine Touristenkarte. Die einzigen Informationen, die ich fand, sagen, dass man die von der Fluggesellschaft erhält oder in Manaus in einem Spezialbüro abholen muss. Das finde ich dubios und weil ich jetzt schon im Taxi sitze, gehe ich das Risiko ein. Ich habe meinen Flug erst in 2 Wochen und genügend Geld um Notfalls zurück zu fahren. Wir kommen in die Grenzstadt Pacanaima. Dort hält das Taxi an einem Polizeiposten. Hier sollte ich meine Ausreisestempel für Brasilien bekommen. Und zäck ist der Fahrer weg, zusammen mit all den anderen im Wagen.Er hätte mir mindestens etwas von seinem Wasser abgeben können. Ich bin durstig. Immerhin hat er mein Gepäck noch rausgestellt. Hier gibts also den Stempel, der mir erlaubt Brasilien zu verlassen. Aber erst um 2 Uhr. Ich verbringe die Zeit damit, der Wache dabei zuzuschauen, wie er wiederum all den Autos zusieht, wie sie auf den hohen Wellen auf der Strasse ihre Unterböden zerkratzen. Obwohl wir beide darüber schmunzeln, erlaubt er es mir nicht in den 2 Stunden, die ich hier warten durfte, zu schlafen. Das macht man einfach nicht auf ner Wartebank bei der Polizei. Ich bin doch so müde. Gott. Ich wandere etwas umher und betrachte all die konfiszierten Wagen, die wie auf einem Friedhof neben dem Gebäude stehen. Wenn der Wagen nicht registriert ist, dann wird er konfisziert. Weil die meisten davon illegal sind, bleiben sie auch entsprechen hier liegen.
Mit polizeilicher Pünktlichkeit öffnet der Schalter um genau 17 nach 2. Ohne Probleme kriege ich meinen Ausreisestempel. So, das wäre geschafft. Jetzt muss ich nur noch durch das Niemandsland und in Venezuela wieder einchecken. Das am besten ohne meine Touristenkarte haben zu müssen oder eine Gelbfieberimpfung. Beides ist nämlich hier von Nöten. Mir fällt auf, wie schön die Natur hier ist alles ist Hügelig und die genaue Grenze ist mit weissen Grenzsteinen markiert, die sich über die Hügel hinweg ziehen, ohne ein Ende zu haben. Ich komme schweissgebadet im Zollgebäude von Venezuela an. Dort werde ich in ein Büro verwiesen. Der dort anwesende Mann mustert mich. Ich erwarte schlimmstes. Doch ohne weitere Fragen zu stellen, macht er sich einige Notizen und knallt lautstark den Pass. Voilà - Ich bin drin! Keine Gelbfieberimpfung, keine Touristenkarte. Einen Schweizer Pass zu haben, kann das leben manchmal ganz schön einfach machen.
Auf der anderen Seite ist nichts. Nur eine Strasse, die irgendwo hinfüert. Santa Elena hoffe ich Wàhrend ich da stehe sprechen mich zwei Koreaner an, ob wir ein Taxi teilen möchten. Klar möchten wir. Aber wo finden wir eines? Alle die hier ankommen sind voll. Und nochmal zurück über die Grenze kommt nicht in Frage. Was nun? Wir sprechen einen älteren Herren an und er klärt sich tatsächlich bereit uns mit in die Stadt, Santa Elena, zu nehmen. Er kennt sogar ein gutes Hotel, das für Backpacker gemacht ist, von einem Deutschen gefüehrt. Ja das hört sich gut an. Los gehts!
Während der Fahrt noch erklärt mir Jin, der eine Koreander, wieviel Geld ich denn abgehoben hätte. Hmm? Geld abheben? Das wollte ich doch eigentlich hier machen. Erstaunt über meine Antwort schaut er mich an und meint, dass das nicht sehr klug sei. Wenn man Fremdwährung mit ins Land bringt, so sind diese besser zu tauschen. Das heisst für einen mitgebrachten USD bekomme ich 20 Bolivars. Sollte ich aber Geld am Automaten beziehen, dann bekomme ich für 1 USD genau 4-5 Boliviars. Ich glaub mich laust der Affe. Zudem gibt es in dieser Stadt nicht mal enien Geldomat. Klaro, brauchts auch nicht - weil alle ihr Geld aus Brasilien mitbringen - ausser ich, der nun mit meinen 30 übrigen Reals ziemlich dumm aus der Wäsche guckt.
Mir bleibt nichts anderes übrig - ich muss zurück nach Brasilien. Einen kurzen Ausraster später spreche ich mit Erik, dem Besitzer des Hostels. Er ist gewillt mir einen Vorschuss zu geben. Aber nur, wenn ich eine Tour bei ihm buche. Auch das noch. Da bist du bald 20 Stunden unterwegs, hast kaum geschlafen, hast kein Geld, hast Hunger, Durst und musst dich entscheiden, ob du hier ne Tour buchen willst. Haste Töne. Erik versteht das und sieht, dass mit mir nicht gut Kirschenessen ist heute und gibt mir den Vorschuss für Bier und Abendbrot und sagt ihn perfektem Deutsch - Lass mal drüber Schlafen. Morgen sieht alles besser aus. Oh ja, das werde ich tun - nach dieser Odissey