Die härteste Arbeit der Welt.
Während wir uns hier ein Schokoladenleben erkaufen, auf der Terasse ein Bier trinken und uns ab einander erfreuen, schauen wir respektvoll auf den Berg, der Potosi überragt. Er ist Ikone der Stadt und Heimat eines Berufes, für den es auf der Welt nicht viel vergleichbares gibt.
Als die Spanier damals ankamen, suchten sie den ganzen Kontinent nach Bodenschätzen ab. Hier in Potosi fand man Silber - in rauen Mengen. Über die Jahre wurde diese Stadt zur Halsschlagader der Kolonialmacht und war reicher, wie alles damals vorstellbare. Der Berg gab alles, was er zu geben hatte. Er war heilig und beschützte die Menschen. Heute ist das Silber rarer den je und tiefer und tiefer wird in den Berg gebohrt und gesprengt.
Flo und ich folgen Julio, er ist der einzige der heute in die Minen geht. Er ist in seinen 50ern und hat selbst 10 Jahre in einer Coorperetivmine gearbeitet. Er kennt jeden auf dem Weg und wird überall gegrüsst. Jeden Tag hier mit Gringos durchzulaufen hat ihm über die Jahre ein hohes Ansehen verschafft, dass er sichtlich geniesst. Auch zu unserem Vorteil. Es ist Carneval hier in Potosi. Alle Minöre haben frei und werden vom Volk frenetisch gefeiert. Es gibt Paraden, Kulturelle Tänze, viel Wasserballons und Schaumwerfer. Aber vor allem eines: Viel, viel BIER. So kommt es, dass wir bereits auf dem Weg hinauf zum Berg beinahe sämmtliche Biervorräte und Kokablätter, die wir gestern noch für die Minöre gekauft haben, verschenkt haben. Und es war noch nicht mal 9 Uhr Morgens.
Aber die sollen auch feiern, bitteschön, als wir nämlich die Mine betreten, wurde uns schlagartig klar, dass hier ist nichts für uns. Gebückt, nur mit dem Licht der Kopflampe gehen wir durch den schmalen Indianajonesmässigen Eingang. Der Boden ist voller Matsch, der geräuschvoll von den Schuhen verdrängt wird und ab und an etwas vom Lorengeleise freigibt. Nur gebückt geht es vorwärts. *Päng* da hat sich mal wider wer den Helm gestossen!! *PENG* Okay, nun auch ich. Mit uns ist ein Hund, der Julio seit langem folgt. Ihm scheint das nicht zu gefallen.
Man kriegt kein gutes Gefühl, auch wenn wegen dem Fest keine Minöre bei der Arbeit sind. Julio erzählt uns viel vom Teamwork der Arbeiter. Als er als Junger Bursche hier rein kam, angelockt von den 90-120 Bolivianos, die man hier durchschnittlich verdienen konnte, musste er sich zuerst beweisen. Es gibt keine Ausbildung und Untertags ist auch in der Notsituation nicht für jeden. Zudem arbeitet jeder Minör für sich. "Es ist wie eine Lotorie" sagt Julio, bevor er sich erneut ein Kokablatt in den Mund schiebt, "du kannst reich werden hier untern. Du kannst aber auch pech haben und nichts finden. Dann bist du schnell wieder raus." In Wahrheit findet der Schnitt immer etwas und kann so seine Familie ernähren. Das ist auch der Grund was viele Menschen in die Miene treibt. Oftmals Schicksale. Der Vater ist gestorben und plötzlich fehlt das Einkommen. Kein Geld für Essen oder Schule. Der Sohn wird zum Mann im Haus und erscheint mit 13 zum ersten Mal in der Mine. 15000 Menschen arbeiten zur Zeit im Berg. Was wohl ihre Geschichten sind?
Julio wusste genau, warum er es tat. Er wollte studieren. Seine Familie konnte sich es jedoch nicht leisten. Also arbeitete er bis genau an den Tag, an dem er das Geld beisammen hatte, dann verliess er die Mine.
Wir dringen tiefer in den Schlund des Berges vor. Sehen auf und Abgänge. Verbindungstunnels und zwei weitere, wichtige Dinge. Am Eingang befindet sich eine kleine Kapelle. Zu Ehren Jesus Christus und Jungfrau Maria, wird gebetet. Diese Beschützen alles, bis zum Bergeingang. Danach befindet man sich nicht mehr in deren Reich, nein, das hier gehört jemand anderem. Als wir uns weiter bewegen, treffen wir auf ihn. Den Teufel persönlich. Das hier ist sein Reich und man befriedigt ihn mit Zigaretten, Kokablättern, 96% Alkohol und Manchmal auch Lamaföten. Julio erzählt ganz abergläubisch, wie ein Junger Mann einmal Naiv behauptet hat, niemals dem Teufel zu dienen. Auf dem Weg nach draussen, wurde er von einem kleinen Stein im Nacken so unglücklich getroffen, dass er sofort Tod war. Es sind die Alten, die die Jungen an die Tradition erinnern und ihr Wissen weiter geben. So gibt es eine Hyrarchie, eine Bruderschaft, Kumpels eben.
Als sich der Hund um die Teufelsstatue rekelt, ist es genug für Julio. Er packt den Hund und zieht ihn zu sich. "Wenn man in der Nacht von einem schwarzen Hund träumt, geht man den nächsten Tag nicht in die Mine. Das bringt Unglück." Wir verstehen und schweigen.
Auf dem Weg nach draussen sind wir unterkühlt und es regnet. Das hällt niemanden davon ab Carneval zu feiern. Wir werden überall eingeladen und erleben ein offenes Bolivien, wie noch nie zuvor. Jeder will den Gringo bei sich haben, mit ihm Tanzen oder mindestens ihm einen Wasserballon ist Gesicht watschen. Pitschnass und Sturzbetrunken erreichen wir die andere Seite des Festes, wo unsere Unterkunft auf uns wartet. Ich falle ins Bett - um 2 Tage lang krank im Bett neben Frida liegen zu bleiben.