Die Hauptstadt
Wir kamen gut vorwärts. Von Utila ging es mit der Fähre zurück ans Festland. Wie überall im besseren Public Transport wird eine Kopie des Passes angefärtigt. Wozu man das in einem der gefährlichsten Länder der Welt braucht, ist wohl jedem klar. Was mich jedoch immer wieder erstaunt ist der horende Preis der Fähre. 25 Dollar ein Weg für eine 1 Stündige überfahrt finde ich so unfassbar überrissen, aufgrund der Tatsachen, dass die Einheimischen den gleichen Preis bezahlen. So erfahren manche erst im Teenageralter oder später, dass es noch mehr gibt, wie das beschauliche Utila. Etwas ist ursprünglich geblieben und die Globalisierung hinterlässt hier Lücken.
Wir hatten zwei Routen zur Auswahl. Entweder eine Kurze Etappe heute mit Übernachtung in San Pedro Sula und dann morgen ca 12 Stunden Weiterfahrt bis nach Managua. Ich bin mir solche Sachen aus China gewohnt, Raffael jedoch fühlt sich vom Fakt, dass San Pedro Sula eben zur gefährlichsten Stadt der Welt gewählt wurde, bedrängt und so entscheiden wir uns für zwei gleich lange Etappen über Tegus, wo wir gegen Abend ankommen. Für mich ist das auch besser, weil ich am Frühen Morgen einen Direkten Ticabus nach Leon habe.
Weiter geht es heute nicht mehr. Nach Sonnenuntergang fahren aus Sicherheitsgründen keine Busse mehr. Wir nehmen einen ersten Blick von der Stadt und wollen unsere Sinne durch einen Schluck Atemluft stärken - doch das geht hier nicht. Ich hab schon viel gesehen und gerochen in meinem Leben, aber so eine Luftverschmutzung, mehrheitlich Autoabgase hab ich noch nie erlebt. Mir schlägt es sogleich auf den Magen und ich finde mich wenig später auf der Toilette des nächst gelegenen Hotels wieder, das ich gekonnt von 13 Dollar auf 7 Herunterhandelte. Raffael zeigte sich erstaunt, als ich ihm von den Mayas erzähle, die meinen ich sei gut im Handeln. :D
Die Gegend fühlt sich so unglaublich Rauh an. Andrew, unser Taxifahrer für den Abend erzählt von der explodierenden Kriminalität der Stadt. Er ist hier geboren und verdrückt eine Träne als wir ihn über die Situation fragen. Er hat im Kugelhagel zweier Banden vor kurzem seinen jüngsten Sohn verloren. Seither fährt er nur noch Touristen, was für ihn Sicherer ist und auch mehr Geld bringt, damit er bald in eine sichere Gegend ziehen kann. Seit in den USA gnadenlos mit Banden aufgeräumt wird, ziehen sie alle nach Zentralamerika, wo die Regierung und Polizei Korrupt ist und somit ein guter Nährboden für Gangmitglieder geworden ist. Man erkennt sie an den Gesichtstattowierungen, die bestimmt jeder schon einmal im Internet gesehen hat. Selbst aus dem Auto können wir den eint oder anderen Erkennen. Andrew versichert uns, dass wir in einer der Sichersten Gegenden seien. Raffael spüren, wie intensiv es uns gerade trifft. Wir kommen aus der Heilen Touristenwelt und schlagen grad voll mit dem Gebiss auf den Steinboden. Das hier ist echt.
Wir lassen es uns nicht nehmen unter Andrews Obacht in eine Strassenküche einzukehren. Dort spüren wir die Lebensfreude, die doch noch herrscht. Auch die Gesichtszüge der Menschen sind weit weniger hart, wie noch vorher aus dem Auto gesehen. Wir spüren, dass wir das Leben hier lernen müssten. Das geht nicht einfach so. Uns fällt auf, dass hier jeder Laden, sei er noch so klein, jeder Hauseingang und jedes Fenster hoffnungslos vergittert ist. Wir fühlen uns auf Schritt und Tritt beobachtet und fallen geschafft gegen 8 Uhr ins Bett.
Raffael meint noch, wie geil es wäre, jetzt irgend nen guten Film zu gucken. Wir schalten den TV ein und promt läuft vor uns ein Star Wars Marathon, das erst noch auf English. Was bin ich froh, sind die Wände dick und ich schlafe erstaundlich gut.