Huhn wie Pferd
Um 4.45 klingelte mein Wecker. So leise wie möglich schlich ich mich aus dem Dorm und machte mich auf die Suche nach einem Gefährt, dass mich die 8 Stunden nach Antigua bringen sollte. Dort habe ich mit Kristina abgemacht. Eine gute Freundin von Andrea Schmitter, wiederum eine gute Freundin von mir. Sie lebt dort - das ist auch so ziemlich alles was ich über sie weiss. Noch auf dem Weg ins Dorf, kam ein Minivan auf mich zu, den ich mit Handwedeln anhielt. Par Antigua? Si! Quanto? 110! Si Senior, perfeto! Und zack, schon war ich unterwegs. Spannend, wie einfach es manchmal gehen kann :)
Wir fahren ins Morgengrauen. Was hier so farblos klingt, ist in Wahrheit ein Spektakel bei dem sich die das Gefühl in der Natur widerspiegelt und man den Anschein kriegt, als hätte die Welt Gänsehaut - von der Sonne angeschienen. So geniesse ich die Fahrt und versuche mich auf der mir gehörenden Rückbank so breit wie möglich zu machen um noch ein, zwei Mützen voll Schlaf zu kriegen.
Etwas später steigt eine traditionell gekleidete Bauernfamilie ein. Sie bezahlen nichts und fahren sicher 2 Stunden mit. Man riecht den Rauch aus den Klamotten, der wohl davon stammt, dass die Mutter bereits in der Hütte im Wald Feuer machte um ihren Kindern etwas zu Essen zu kochen.
Die Verhältnisse ändern sich Rabiat, als ich zum nächsten Mal die Augen öffne, fahren wir an Börger King und Pizza Hut vorbei. Es ist Guatemala City, die grösste Stadt Centralamerikas mit 2 Millionen Einwohnern. Wir fahren nur durch. Mir fällt auf, wie präsent hier das lokale Bier, "Gallo" vermarktet wird. An jeder Hauswand findet man das Logo und praktisch jeder lokale Händler kleidet sein Lokal mit dem Huhn. So intensiv, dass es grossen Marken wie Coca Cola an Präsenz locker übertrifft - gut schmeckt es obendrein.
Angekommen in Antigua, verschlägt es mir gleich mal die Sprache. Hier ist alles anders. Es fahren (für dieses Land) teure Autos durch die Strassen, überall erspäht man Westliche Menschen und alles ist gehegt und gepflegt kolonial. Vom armen Gebirge in die wohl kosmopolitischte und dem westlichen empfinden schönste Stadt, die ich seit einiger Zeit sehe.
Ich werde von Katarina abgeholt. Schnell eröffnet sich mir, dass sie nicht mehr, wie vermutet, in einem Kinderheim arbeitet. Es ist viel passiert und inzwischen lebt zusammen mit ihrem Freund Jorge ausserhalb von Antigua in einer Finca. Sie arbeiten zusammen am Projekt, daraus ein Touristenhaus zu machen, mit allem drum und dran - wohl ausserhalb des Backpackerbudgets. Kristina lebt nun seit 2 Jahren in Zentralamerika, beginne ich zu erfahren. Sie hatte 13 Monate lang in Honduras in einem Kinderheim gearbeitet (also doch) und blieb nach kurzer Reise als Volunteer bei Jorge hängen. Aus Jorge wurde Jorgito und aus Arbeit wurde Liebe.
Ich residiere in einem der noch unfertigen Zimmer und genoss meine erste Reit(halbe)stunde bei Oswaldo, dem Pferdebetreuer und einer der vielen Angestellten, die hier auf der Finca leben und ihr Geld verdienen. Inzwischen kriege ich einige fetzen Spanisch zusammen, um mit ihm die Zeit zu vertreiben, während wir auf das Ende des Regenschauers warten, der leider nicht kommt. Vielleicht morgen, oder ein anderes Mal, wenn ich mir Antigua richtig anschauen werde. Auf jeden Fall bin ich froh um diesen Kontakt, denn so erlebe ich Guatemala aus einer anderen Perspektive - aus der, der Habenden.
Morgen fahre ich weiter nach San Pedro am Lago de Atitlan. Ich fühle mich bereit für meinen Spanischkursus und auch um die Maya wieder zu sehen. Sie schreibt mir, dass ihr meine Gegenwart fehlt. So tut sie mir.