Von einer Welt in die Andere.
Das Condor nicht Emirates ist, hab ich ja gewusst. Tradition wird hier grossgeschrieben, so schreit mir jedenfalls die Bordbroschüre entgegen. Das ziehen sie auch knallhart durch. Neben den Retro-Servietten sind auch die Stuhllehnen vor mir reichlich altmodisch und gänzlich ohne Homeentertainment. Bin ich denn etwa in vergangenheit so verwöhnt worden oder sitze ich im einzigen Langdistanzflieger der Welt, der über keinen Bildschirm verfügt? Zudem haben sich jetzt gerade meine Kopfhörer verabschiedet womit ich meine Musik nun auch noch selber singen darf. Zum Glück habe ich noch Hape Kerkelings Buch dabei in dem er seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg beschreibt. Herrliche Geschichte und der Hape schreibt einfach erquikend.
Vielleicht ist das aber ganz gut. Ich glaube ja immer wieder an Zeichen. Dass ich im Flieger weder mit meinen restlichen Schweizer Franken, noch mit den Frisch gewechselten Mexikanischen Pesos das natürlich kostenpflichtige Bier bezahlen kann, wundert mich weniger, als dass ich überrascht bin, noch nicht Abtrockendienst in der Küche leisten zu müssen. Mein Sitznachbar in Bankreihe 39 bestellt sich stinkfrech schon das dritte, im Wissen, dass ich keines haben kann, weil ich konkret die Stewardesse danach gefragt habe. Schon ein bisschen frech. Ich hätte wahnsinnig gerne ein Bier.
Um wieder auf die Zeichen zurück zu kommen, ist das vielleicht Absicht von Oben, das jetzt gar nicht mehr so weit weg ist oder einfach Unvermögen meinerseits, nicht daran zu denken aller Herren Länder Wàhrung mitzu nehmen ;-) Auf jeden Fall gibt es mir die Möglichkeit mir über die letzten Tage Gedanken zu machen. Das finde ich bitter nötig, denn ich war ziemlich verwirrt und uninspiriert, als würde ich auf den Funken warten. Gegenüber meinen Freunden und Familie war ich sogar fast etwas Gefühlstod weil ich irgendwie nicht recht damit klar kam, dass ich jetzt weg geh. Woran das liegt, weiss ich nicht.
Vielleicht liegt es daran, dass ich keine genaue Vorstellung habe von was mich erwartet oder das ich wieder den Trott der Schweiz angenommen habe, der ja so tödlich für jegliche Lockerheit und Leidenschaft sein kann. Bin ich zurückgefallen? Ach die Wolken sind wunderschön und erinnern mich an Zuckerwatte! Spätestens seit Urs' Geburtstagsparty, auf der ich im Schuppen eine alte Maschine entdeckte habe, mit der man solche Schleckerein selbst machen kann, weiss ich ganz genau, wie solche aussehen. Cancun reichlich Zuckerwatte weg.
Dabei hätte ich schon fast hierbleiben müssen. Geschlagene 20 Minuten mussten die Zwei Damen bei der Ticketkontrolle in Frankfurt prüfen ob ich jetzt ohne Rückflugticket nach Mexico reisen dürfe. Das scheinen wohl nicht viele mit mir im Flieger zu tun. Völlig ungestresst wirkend, versuchte ich einen kleinen Psychotrick um sie davon zu beeinflussen, dass ich kein Rückflugticket brauche, weil es auch vor mir noch NIEMAND gebraucht hatte. Ich strengte meine Hirnwellen an und sandte sie über die Theke in ihr Gehirn. Siehe da, sie winkt mich durch! Servicewüste Deutschland die Zweite.
Erst jetzt wird mir eigentlich richtig klar, dass ich mich gerade eben aus der Welt daheim verabschiedet habe und wieder in die andere Welt übertrete. Als ich heute morgen noch die Jenny an den Bahnhof brachte, wurde mir das zum ersten Mal wirklich bewusst, dass wir uns jetzt lange nicht mehr sehen. Die Tränen in ihrem Gesicht haben mich paralysiert und wie ein Roboter schritt ich von Dannen. Mein Körper hat wohl in den Selbstschutzmodus geschalten, damit ich nicht in Emotion die Notbremse des Zuges reisse. Meine Jenny ist die beste, schönste und stärkste. Eine Schande so einen Menschen stehen zu lassen.
Bevor mir jetzt die Batterie des Laptops absäuft, mache ich hier Schluss und beschäftige mich weiter mit Hapes Reise auf dem Camino und versuche die Dame vor mir nochmal Mit Gedankenübertragung so zu beeinflussen, dass sie sich nicht noch weiter nach hinten legt, was meinem Bauch zu wenig Platz für geregelten Sauerstoffzufluss geben würde.
Senior, une cerveca por favor! Er hats sich tatsächlich noch ein Bier bestellt. Er hats schon wieder getan!
Nachtrag 22 Uhr Lokalzeit: Es ist als wär ich nie weg gewesen. Wir sind um ca 6 Uhr Abends in Cancun gelandet und draussen war es bereits dunkel. Ich hab mich spontan mit Maya, der einzigen anderen Backpackerin im ganzen Flieger zusammengetan. Ein Hippy aus Mannheim. Passt. Dass meine alten Handel-Skills noch nicht eingerostet sind, konnte ich dann gleich beim Taxifahrer beweisen, der uns schlussendlich für einen Drittel des Preises uns direkt vor die Tür der jeweiligen Hostels brachte. Wir kannten die Stadt nicht und haben viel gehört, was uns dazu veranlasste zu beginn die sichere Variante zu wählen. Wir waren nun beide gegen die 24 Stunden wach und so hielt uns nichts davon ab heute früh schlafne zu gehen. Es regnete draussen in Stürmen und somit hielt sich die Motivation noch gross in der Nacht in Mexico wie blöd rumzurennen vorerst in Grenzen.