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Baden Starbucks

Daniel


Der letzte Post eignete sich so gut als Abschluss dieses Kapitels, als Cliffhanger für etwas was vielliecht noch kommen wird. Jedoch möchte ich euch eine Anekdote nicht vorenthalten.

Vor wenigen Wochen habe ich Daniel wieder getroffen. Daniel ist der Beste Freund von … Ja, von Bruna. Der Brasilianiern Bruna aus Australien. Natürlich lies ich e mir nicht nehmen, denn ich wollte wissen, was ihn in die Schweiz trieb. Nach zwei Flaschen Wein erzählte er mir seine Geschichte.

Daniel war gerade 15 Jahre alt, als sein Leben aus den Fugen gerät. Es war sein Herz und chemische Vorgänge in seinem Körper, die ihm sagten, dass er nie eine Frau heiraten wird. Für seinen Vater, einen Arbeiter aus dem tiefen Mittelstand von Recife, Brasilien, war das nicht zu ertragen. «Mein Sohn, einer von Denen!» Daniel musste gehen, mitten in der Nacht in den warmen Regen, der den dreckigen Asphalt behaglich schmecken lässt.

Seine Tränen waren aufgebraucht, als er mit seinem letzten Geld den Bus bestieg, den ihn nach Sao Paulo bringen sollte. Er hatte nichts mehr ausser dem kleinen Rucksack, den er bei sich trug. Ich schaute in seine Augen und spürte das schlechte Gewissen in mir hochkommen. Doch Daniel sagte das nicht, weil er musste, er wollte es mir erzählen. Also lies ich ihn weitermachen. Wir öffnen unser nächstes Bier und sehen, wie die Sonne über dem Zürichsee sich gen Horizont neigt und die Nacht einbricht.

Sao Paulo schläft nicht. Der Wirtschaft von Brasilien geht es gut. Das sollte der Junge schnell merken. Einen Schlafplatz war ohne Geld nicht zu finden. Es dauerte zwei Wochen, bis er einen Job hatte. Er servierte in einem Restaurant. Jeweils am Abend bezog er seinen mageren Lohn. Er ging auf die Strasse und warf eine Münze, die ihm half zu entscheiden, ob er es für Essen oder ein Dach über dem Kopf ausgeben sollte … denn für beides war es zu wenig. Daniel schlief im 24 Hour Kaffeeladen um die Ecke, eng umklammert um seine Habe und die Krümel des Muffins auf dem Tisch.

Daniel schaut mich an und erzählt wie er schon fast aufgegeben hatte, als ihn eines Tages im Kaffeladen zwei Männer ansprachen. Sie waren gut gekleidet, Glückskinder des Wirtschaftsaufschwunges. Sie fanden ihn Hübsch und nahmen ihn mit. Mit sich ins Nachtleben von SP, das ausgelassen, nie endend, den Tag nutzlos macht und für einen jungen Mann sehr gefährlich ist. Daniel verschwand oft im heimlichen, damit seine neuen Freunde nicht merken konnten, dass er zurück in den Kaffeladen ging um dort noch ein eine Stunde zu schlafen bevor er sich die Servierschürze umband. Es war wieder eine dieser Nächte, als ihn einer der Männer fragte: «wir bringen dich nach Hause». Daniel war high, erzählte alles. Sie waren schockiert.

«Kann ich hier arbeiten? Und einen Kaffelatte bitte …» Daniel trat in den Kaffeeladen, mit seinem Diplom in den Händen. Sie schauten ihn ungläubig an. Mit dem Geld, was ihm seine neuen Freunde geliehen haben, machte er die Ausbildung zum Barista, dem Kaffeefachmann. Ja, er bekam die Stelle, in dem Kaffee wo er noch wenige Monate zu vor einsam auf der Bank sass, um zu überleben.

So sitzt dieser Daniel Machado-Steinmann nun neben mir, macht ein Foto vom Sonnenuntergang über Zürich. Das Schicksal führte uns zusammen, damals in Melbourne. Er, der beste Freund meiner Wichtigsten während der Zeit in dieser Stadt. Doch ich ahnte nicht und Bruna erwähnte nie auch nie nur angehend, was ihr kleiner Homosexueller Freund zu erzählen hatte. Es musste zu diesem zufälligen Treffen in Zürich kommen. Wir machen Bilder und posten sie auf Brunas Facebook Seite.

Er erzählt noch viel mehr. Wie er nach Australien kam, dort Bruna kennenlernt, mit Nathan, seinem damaligen Freund, auf Weltreise ging, die dieser ihm schenkte und wie dieser im Drogenrausch durchbrannte. Er erzählte auch seinen Traum Flight Attendant zu werden und wie er wegen einem Mann sein Vorstellungsgespräch in Johannesburg verpasste und wie eben diesen Mann vor drei Monaten geheiratet hat. Er sagt stolz, wie er als Brasilianer in Südafrika grosses Ansehen geniesst und ein Celebrity der Kaffeszene geworden ist – Meister-Barista. Nun ist er mit seinem Freund in der Schweiz um die privaten Angelegenheiten eines Demenz-Kranken bekannten zu klären und nun steht er hier.

Bei all der Intensität, die mir Daniel heute gibt, frage ich mich wie es Bruna geht … Einmal um die halbe Welt schicke ich ihr ein Ausrufe- und Fragezeichen über das weite Meer.

Wir öffnen ein weiteres Bier und verschwinden im Schatten der Bars und Kneipen von Zürich um das Leben zu feiern und begiessen den beinahe perversen Zufall, dass wir uns ein zweites Mal begegnet sind.

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