Norbulingka
So schlenderten wir erneut durch Lhasa, unfähig was zu tun, weil uns nichts erlaubt war. Das fühlt sich komisch an. Gegen Nachmittag dann tauchte aber tatsächlich jemand von unserer Agentur auf. Nun war es offiziell. Wir sind offiziell vergessen worden. Das war der Beweis für die gewieftheit von David. Denn das Hotel wusste das wir kommen. Trotzdem fühlte sich die Agentur in Lhasa schuldig und so waren wir plötzlich auf einem Trip zum Norbulingka, den Sommerpalast des Dalai-Lama.
Das war sehr eindrücklich. Es ist ein schöner Garten, heute mehr als Relaxplatz für Tibeter gebraucht. Trotzdem lassen sich darin die Privatgemächer von Tensin Gyatso, dem Aktuellen Dalai-lama besichtigen. Mehr oder weniger so, wie sie damals waren, als er von genau diesem Palast ausser Landes floh. Auch faszinierend waren die alten Radioempfänger. Mann weiss ja dass der Dalai-Lama ein Technik-Freak war. Da wurde man zum ersten Mal damit konfroniert. Nicht spektakulär, aber eine Ehre, da zu stehen, wo dieser Mann aufwuchs. Ich frage mich zwar, wie es sich vereinbaren lässt, diese Orte dem Touristen zugänglich zu machen, wenn der Name Dalai Lama in China streng verboten ist. Ich frage mich, wass die den Chinesen für Geschichten erzählen, wenn sie hier stehen. Ich habe über einen alten Propagandafilm gelesen, der in China jedes Kind in der Schule gesehen hat, wo der Dalai Lama in Spielfilmmanier als hinterrhältiger Mörder darstellte. Mir blieb die Szene, wo er einen Tibetischen Mönche, der zum Roten Reich überlaufen ist bei der Suche nach versteckten Waffen findet und von hinten ersticht. Ich muss über den Wahrheitsgehalt nichts sagen, denn jeder weiss, wie geschickt Mao die Propaganga zu nutzen vermochte. So ist es nicht verwunderlich sind Chinesen entrüstet, wenn das Ausland den Mann in Schutz nimmt – Sie wurden schlichtweg so erzogen.
Wir wandern durch das Muslimische Quartier in Lhasa. Es war uns nicht bewusst, dass es so einen grossen Anteil an Muslimen in Lhasa gibt. Im Schatten leben sie seit jeher und erledigen die Jobs in der Gesellschaft, welche der Tibetische Bhuddismus nicht erlaubt. Zum Beispiel Schlachten.
Während wir so durch die Gänge schländerten, trafen wir auf einen jugen Tibeter namens Lobsang. Wir kamen ins Gespräch. Uns war klar, dass er dieses Gespräch auch suchte – man konnte es in seinen Augen ganz klar erkennen. Wir beschlossen, dass es hier zu gefährlich ist. Aus Angst vor dem unberechenbaren Chinesischen Automaten, verabretete ich mich mit ihm auf später.
Jetzt ging alles ganz schnell. Während Lukas im Haus blieb, zog ich los. Auf der Suche nach einem Chinesischen Taxi Fahrer, der gerne für den eint oder anderen zusätzlichen Yuan mich zur verabredeten GPS Koordinaten bringt, wurde mir bewusst, auf was ich mich hier einlasse und in welche Gefahr sich vor allem Lobsang begiebt. Ich konnte noch immer Umkehren. Doch mein Herz sagte mir, dass ich das richtige mache.
Das Taxi war schnell gefunden und 30 Minuten später stand ich auf einem Feld etwas ausserhalb von Lhasa. Der Potala war nicht mehr zu sehen. Viel mehr stand ich zwischen all den bereits gebauten Strassen, wo noch keine Häuser dazwischen stehen – Ein skurriler Anblick. Lobsang tauchte auf. Mit dem Fahrrad war er gekommen. Er war anders angezogen. Fancy, um der Polizei als Chinese aufzufallen meinte er.
Lobsang sprach sehr gutes Englisch. «Das muss man hier, wenn man eine Chance haben will, raus zu kommen.» Er arbeitet normalerweise ganz in der Nähe in einem Fünf-Sterne-Hotel. Englisch gelernt habe er nach seiner Flucht als Kind nach Dharmsala, Indien – von einer Schweizerin. Er sei zurück gekommen und Gutes Geld zu verdienen und versucht reiche Menschen im Hotel durch geschickte Kommunikation informationen zu entlocken. Als er hörte, dass ich Schweizer bin, wusste er, dass er mir vertrauen kann. Selbes wünschte er sich auch von mir und zückte als Dank ein Bier aus der Tasche.
Wir sassen also da, fern ab von der Chinesischen überwachung unter einem Busch unter einer dicken Decke, um uns vor der Thermoüberwachung der Patrollierenden Helikoptern zu schützen. Ich erzählte ihm von meiner Entwicklung zum Sympatisanten und den Demonstrationen. Das es den Tibetern in der Schweiz gut geht und der Dalai Lama sie fleissig besucht. Am meisten interessierte ihn, wie die Medien in der Schweiz darüber schreiben und es entlockte ihm ein breites Lächeln, als ich ihm bestätigte, dass er nicht alleine sei.
Nach gut zwei Stunden intensivem aber entspannten Gespräch, begann ich meinen zweistündigen Fussmarsch zurück in die Stadt. Lobsang hätte mich gerne gefahren, aber das wäre natürlich zu auffällig gewesen. Zurück im Hotel war Lukas noch damit beschäftigt, unsere inzwischen angekommene Reisegruppe zu unterhalten. Ich erzählte ihm nichts vom Ausflug – ich wollte nichts riskieren, seid man weiss, dass die Spione in den Mikrofonen auch Deutsch verstehen.