Der Tibet Zug
Pünktlich um 20:59 verlies der China Railway T22 den Bahnhof von Chengdu. Wenige westliche Touristen finden sich auf dieser Langen Strecke, die uns über Xian, Xining, Golmud nach Lhasa führt. Nach einigen Stunden stellten wir fest, dass Lukas und ich tatsächlich die einzigen waren. Wir gönnen uns eine Flasche Rotwein im Zwischenabteil, reden über Gott, die Welt, den Michael und die Andrea und über die Zukunft. Wir verspürten die Lust zu schlafen, was wir dann auch bis um 12.00 Uhr nächsten Tages durchzogen.
Was wir aus dem Fenster sehen, ist noch wenig berauschend. Bis Xining ist es halt China. Nicht viel zu sehen ausser Nebel und Smog. Später am Tag passieren wir auf dem Wegabschnitt nach Golmud Teile der Wüste Gobi. Wunderschöne, weite Gebiete mit riesigen Hügeln im Sonnenuntergang. Die Chinesesen geilen hier fast ab. Regelmässig kommen über Lautsprecher Durchsagen über was es zu sehen gibt. Es soll auch English geben, aber entweder verpassen wir den immer oder sind zu blöd es vom Chinesischen zu unterscheiden. Auf jeden Fall werden die singenden Hügel mit unaussprechlichem Namen in goldenes Licht getaucht. Wir passieren das Quinghai-Plateau, mit dem grössten Süsswassersee Chinas (und den grössten Minen inklusive Atomtestgelände, steht nicht im Reiseführer).
Wir sind auf dem Weg nach Tibet und werden irgendwann in der Nacht die Grenzen passieren. Ab Golmud wird dann auch Oxygen in die Kabinen gepumpt um beim Passieren des 5072 Meter hohen Passes vor Lhasa die Leute nicht ersticken zu lassen. Im Gegensatz zu west Sichuan, wird hier weniger Sauertoff durchs Klima hingedrückt. Somit fühlen sich die 5000 Meter hier nochmal heftiger an wie noch eben in Sichuan. Ein Händler verkauft Nikotin-Injektionen für die starken Rauchen. Woahhh, Oaaaaah. Die Chinesen scheinen so was nicht oft zu sehen. Was haben wir für ein Glück und geniessen bei nem Glas Rotwein. Bei dieser inzwischen truamhaften Aussicht, die dem Werbeslogan «Schönste Zugstrecke der Welt» nahekommt, muss man einfach Wein trinken, im Zwischenabteil Zigaretten rauchen, viel Musik hören und Nudelsummen schlemmen.
Zugreisen ist so gemütlich. Du bist zum Nichtstun gezwungen. Hast Zeit zu lesen, etwas schreiben … oder einfach nur da zu sitzen und raus zu kucken. Was freu ich mich auf den Sonnenaufgang morgen, dann bereits mit Fuss auf Tibetischem Boden.
Ich entschuldige ich mich für die Absenzen die nächsten Tage. Das liegt mit der verschärften Zensur in Tibet zusammen. Jetzt wird es ernst. In Chengdu sitzen gut 300000 Internethacker, die jede Zeile kontrollieren, die das Plateau verlässt. Um nicht auf zu fallen und mich oder mein Umfeld in Gefahr zu bringen, werde ich mich die nächsten Tage zurück halten.
Nach meiner langen Zeit in China habe ich gegenüber der Tibet-Problematik eine mehrheitlich verworrene Meinung. mit meinem persönlichen Fazit dass beide Seiten viel Dreck am Stecken haben. Ich werde kein Blatt vorn Mund nehmen. Bedenkt bitte, ich bin kein Politiker, nur ein Reisender der versucht hin zu sehen.