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Hügel im Feld – Ger von Familie Tuul

Mongolian Horsetrip Tag 2 – Mongolische ­Gastfreundschaft


Früh werden wir von einem seichten Nieselregen geweckt. Wir schafften es gestern nicht mehr ins Zelt und genossen die Nacht unter freiem Himmel. Es wurde schon etwas frisch, aber unsere gemieteten Schlafsäcke machen einen guten Job.

Während Emma sich um das Frühstück für Mann und Pferd kümmert, versuche ich mich darin, die Tiere einzusammeln. Während der Nacht haben sie sich entfernt und grasen nun auf dem Hügel gegenüber. Jetzt stellt sich die Frage: Wie bringe ich drei sture Pferde von Hügel A zurück auf Hügel B? Meine Idee, mein Pferd zu satteln und dann zu hoffen, dass die anderen ihm hinterherreiten, funktioniert wunderbar, als hätte ich nie was anderes gemacht. So stellt sich heraus, das mein Pferd wohl auch der Leithammel ist.

Nun geht es also weiter. Unser Ziel ist das Amarbayasgalant Monastery im Norden. Wir haben gehört, dass sie dort im Kloster wieder tibetischen Buddhismus praktizieren. Das ist für uns Motivation genug, in diese Richtung zu reiten. Wenn wir jeden Tag so 50–60 km schaffen, sollten wir es in 5–6 Tagen erreichen. 5–6 Tage! Ich hab jetzt schon Muskelkater.

Heute sind unsere Tiere sehr, sehr störrisch und wollen alles andere als in die Richtung reiten, in die wir wollen. Genauso ängstlich reagieren sie dann bei dem kleinen Fluss, oder besser gesagt «Bach», den wir überqueren müssen. Obwohl sichtbar untief, bringen wir keines unserer Tiere dazu, auch nur einen Schritt ins Wasser zu machen. Viel lieber stehen sie da und trinken genüsslich das Wasser. Auch mein Versuch abzusteigen, um ihnen mit erregten Gesten im Bach rumspringend aufzuzeigen, dass es nicht tief ist, bringt uns nicht weiter.

Es wird Mittag. Emma und ich kochen etwas und rechnen schon nicht mehr damit, das heute was geht. Hmmm … das Essen sei etwas fad, wertet Emma und geht zum Versorgungspferd um nach dem Salzstreuer zu suchen, als ich bemerke, dass sie dazu den Bach überqueren muss! Emma, sie sind drüben!!! Sie schaut nur ungläubig und es dauert gute 20 Sekunden, bis sie es begreift. :D. Da haben sich die Pferde mal kurz hinter unserem Rücken über den Bach geschlichen.

Gegen Abend kommen wir an einem Ger vorbei. Das sind traditionelle Nomadenzelte, welche hier genutzt werden. Das Oberhaupt der Familie Tuul ist ziemlich erstaunt darüber, dass sich hier zwei Weisse mit ihren Pferden hin verirrt haben. Und wir sind erstaunt, das Matschak Tuul fliessend Englisch spricht. Was für eine Erleichterung, bereits nach nicht mal 24 Stunden auf dem Rücken der Pferde, sind wir froh darüber, mal mit jemandem zu sprechen, der sich mit so was auskennt =).

Matschak meint dann auch, dass es zu spät sei, noch weiterzureiten. Wir sollen doch hier bei ihm und seiner Familie bleiben. Die Tuuls sind im Sommer Nomaden. Im Winter ziehen sie in die Stadt. Wir sind nervös, als wir zum ersten Mal das Ger betreten. Darin finden wir eine Feuerstelle, um die sich die Familie setzt. Der Vater in der Mitte, Frauen links, Männer rechts. An der Wand gegenüber dem Eingang befindet sich ein kleiner Schrein, wo sie irgendeine mir unbekannten Gottheit huldigen. Während wir Männer uns austauschen, zeigt Matschaks Frau Emma den Haushalt und ihren ganzen Stolz – russisches Silberbesteck.

Ebenfalls bereiten sie die Betten vor. Wir bekommen viele Decken, weil Matschak überzeugt ist, dass unsere Schlafsäcke zu dünn sind. Dann kümmert er sich um die Pferde und zeigt mir einige Kniffe, wie das Satteln in Zukunft leichter gehen wird. Als sich die Familie dann schlafen legt, gucken Emma und ich uns an und schlüpfen nochmals aus den Betten. Draussen klettern wir auf den Hügel hinter unserem Nachtlager und sprechen über Gott und die Welt. Wir können es nicht begreifen, was uns geritten hat (haha), dass wir so was machen. Die grünen Hügel schmiegen sich in die Landschaft und scheinen unendlich zu sein. Wir trinken einen Schluck von unserem Reis-Schnaps und ich rauche die beste Zigarette seit langem. «Was für ein Tag!», entweicht es mir mehr hauchend als sprechend aus dem Mund.

Der einzige Wermutstropfen ist, dass wir unsere Pferde überhaupt nicht im Griff haben. Wir denken daran, ob wir uns nicht übernommen haben mit diesem spontanen Einfall. Erste Zweifel kommen auf. Wir beschliessen abzuwarten, wie die nächsten Tage verlaufen. Denn einfach so zurück geht es jetzt nicht mehr. Wir sind mitten drin.

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