Hussle Hussle Hussle, Quai Quai Quai.
Das war dann doch ein bisschen viel Tequila gestern. Trotzdem komme ich erstaunlich gut aus dem Bett. Wir holten gestern auch nochmals in bestem Zustand das Schild hervor. Aha, das funktioniert also auch in betrunkenem Zustand. Heute ist Montag, das heisst: Visa-Tag! Wie ich diese Tage doch liebe. Vor allem wenn es mit Bürokratie zu tun hat und noch viel mehr, wenn es in oder um China ist. Pha!
Als wir um 9.00 Uhr bei der Mongolischen Botschaft eintreffen, müssen Emma und ich entsetzt feststellen, dass wir in den Botschaften in anderen Ländern wirklich ein einfaches Leben hatten. Wir brauchen ein Visum für die Mongolei. Möglichst heute, damit wir morgen den Zug nehmen können, für den wir dann sofort die Tickets abholen würden.
Natürlich genau heute ist der erste Arbeitstag des lieben und total überforderten Schalterbeamten. Der arme Kerl muss sich gleich mal in die Hosen gemacht haben, als er die nervöse Meute vor seinem Schalter entdeckt, nachdem er zehn Minuten zu spät seinen Rollo öffnet! *^^* Wir stellen uns in die Reihe, ohne zu wissen, dass wir diese aus 30 Personen bestehende Schlange die nächsten drei (!) Stunden nicht mehr verlassen werden.
Gut, es gibt eine Ausnahme … Seit ich denken kann, verfüge ich über das Talent, Dinge überall liegenzulassen und zu vergessen. Als ich noch zur Schule ging, habe ich oft Hefte daheim vergessen. Mein Lehrer war da ziemlich rigoros und schickte mich nach Hause das Vergessene zu holen. Es gab sogar Tage, da ging ich zweimal, weil ich während des Abholens von Gegenstand A, Gegenstand B, der bereits einmal in der Schule war, erneut hab liegenlassen! =) Das Highlight erlaubte sich aber mein Banknachbar Ammar. Dieser Kerl mit Sinn für Humor stibitzte mir mein Rechenheft, das ich bereits auf mein Pult gelegt hatte und machte mir weis, ich hätte es zu Hause gelassen. Stellt euch die Panik vor, als ich daheim war und das Heft nicht finden konnte. Jaja, ich hatte es nicht leicht.
Auch heute bin ich immer noch super-talentiert. Heute morgen bin ich nämlich, in der festen Überzeugung, noch einige Passfotos zu besitzen, losgezogen. Leider befinden sich in meiner Tüte aber keine mehr. Sie ist leer. Kein einziges Bild ist mehr da. Super. Lukas rennt los, sucht den erstbesten Fotoladen. Dazu muss ich kurz was erklären. In China läuft alles frei nach Murphy’s Law. Wenn man kein Taxi braucht, überfahren sie einen beinahe auf der Strasse. Sollte man aber eines um Leben und Tod brauchen, ist garantiert keines auch nur in Sichtweite oder nimmt einen aus irgendwelchen Gründen nicht mit. Sollte es mal schnell gehen, gehts sicher langsam. Den ganzen Tag läuft man an den leckersten Restaurants vorbei. Hat man dann aber Hunger, ist garantiert keines zu sehen. So auch mit dem Fotoladen. 1.5 Stunden renne ich um jede Ecke. Emma hält tapfer unsere Fahne in der Reihe hoch. (Stimme aus dem Off: Letzte Woche habe ich die Bilder gefunden. Sie sind aus der Tüte in den Rucksack gefallen und steckten ganz unten in einer Falte fest. Ich hab doch gewusst, dass ich noch Fotos hatte *^^*).
Einerseits bin ich beruhigt, andererseits erstaunt, als ich sehe, dass die Reihe noch in etwa gleich aussieht, wie vor meinem Blitzfotobesuch. Emma ist dem Ziel kein bisschen nähergekommen. Dann werden wir stutzig. Aus Gesprächen mit Reihenmitgliedern geht hervor, das hier jeder eine Einladung vom Staate Mongolei besitzt – dies sei obligatorisch. Na super. Einladung? So was haben wir nicht. Habe ich doch sogar auf der offiziellen Website gelesen, dass es für 30 Tage Visa keine Einladung braucht. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass der zu bemitleidende Schalterjunge den Punkt auf seiner Checkliste überliest und ich bete, dass nicht für alle die gleichen Richtlinien gelten. Erst recht, nachdem wir sehen haben, wie viele Anträge direkt in die Hände der Antragsteller zurückwandern. Weil die Fotos nicht eingeklebt sind! Einkleben, wieder hinten anstellen. *^^*
Für einmal haben wir Glück und ergattern von einer Schweizerin in der Reihe vor uns, zwei Visa-Formulare und Kleber, damit die Fotos auch schön halten und alle glücklich sind. Als wir dann drankommen, erhalten wir wiederum Schützenhilfe von Mara. Sie ist eine, in China lebende, Thurgauerin, die den Schalterjungen davon überzeugt, dass man für 30 Tage keine Einladung braucht. Nach heftigem Blättern in seinem Ordner stimmt er ihr zu und das Geschreie hinter uns, von allen fälschlicherweise Abgewiesenen geht sofort los. Uff was für ein Glück!!! Und was für ein Pech für all die anderen, die fälschlicherweise abgelehnt wurden. Dann wird es dem armen Schalterjungen zu viel. Rollo runter, früher Feierabend heute. *^^*
So kommt schlussendlich alles gut, bis auf den Fakt, dass Emma heute bei der Arbeit, der chinesischen Sonne zu lange ausgeliefert war, sich einen Hitzschlag holt und nach zwei Stunden den Rest des Tages ausfällt. Obwohl erst Frühling in Beijing ist, knallt die Sonne heute mit 35 °C vom Himmel. Zudem können wir nun doch erst am Donnerstag den Zug nehmen, weil das Visum natürlich heute nicht mehr fertig wird – wir sind jedoch zufrieden damit, was wir erreicht haben, denn es hätte genausogut ins Auge gehen können.
Ich freue mich nun auf einen gemütlichen Abend im Hostel und auf Morgen, wo wir die Mara in der Bar ihres mongolischen Mannes besuchen werden. Ein bisschen Heimat und Fremde unter demselben Dach. Das ist, was wir brauchen hier in der roten Fabrik.