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Chengdu – Beijing

36 Stunden Zug

Sechzig Betten, davon sechs pro Abteil. Keine Türen, aber wer braucht das schon. Was bin ich froh, ist China keine Schnarch-Nation. Nur, welches sind nun unsere Betten? Wir können unsere Tickets nur schwer entziffern, ist unser Chinesisch alles andere als meisterhaft. Als sich die Betten mit wuselnden Chinesen füllen, stellen wir fest, dass die beiden obersten leerbleiben und somit wohl unsere sind. Stellt euch vor, zwei gross-gewachsene Europäer kriechen in einem kleinen Hühnerstall (So sieht es aufgrund der leicht anderen Interpretation von Müllentsorgung bald aus) eine Mini-Leiter hoch, stossen sich von der Gepäckablage ab und sitzen dann zusammengefaltet auf einem Bettchen, dass für die nächsten zwei Tage das Daheim sein wird. Herrlich. :D

Schon vor der Abfahrt riecht es nach Toilette (Natürlich einer chinesischen, nix ist’s mit dem leicht naiven Traum von Porzellan), was aber vom Zigarettenrauch der Qualmer in den Zwischenabteilen bald überdeckt wird. Wir erleben eine überraschend ruhige Nacht. Brav um 22.00 Uhr erlöscht das Licht und alle gehen Schlafen. Obwohl der Zug nicht moderner aussieht als Schweizer Regios, fetzt das Ding mit gut 200 km pro Stunde in die Nacht und bleibt dabei so ruhig, dass man in seinen Gedanken einen kleinen Chinesen vor sich sieht, der mit seiner Wasserwaage akribisch die Geleise gerade hält. Ach, ich liebe Züge. Und es ist wirklich kein Gerücht, in China mit dem Zug zu reisen hat Stil! :D

Den nächsten Tag verbringen wir Instant-Noodles-essend, lesend, musikhörend und die unzähligen Atomkraftwerke zählend, an denen wir in Zentral-China vorbeifahren. Zur Abwechslung gibt es auch mal Fabriken und Raffinerien zu sehen. Echt jetzt, ich weiss nicht was ich falsch mache, denn Emma hat herrliche Naturfotos geschossen. Ich sehe immer nur Industrie.

So eine lange Zugfahrt bringt einen manchmal auf ganz schräge Ideen. Emma ist natürlich das Highlight für alle unsere Mitfahrer. Alle drehen sich nach der grossen, blonden Dame um. Das artet dann so aus, dass sich nach einem Überwindung-brauchenden Toilettengang, eine ganze Schaar kleiner Chinesen vor der Tür ansammelt, die sich dazu aufgerafft haben um zusammen mit einem «Übersetzer» (Jemand der das englische Wort für Bitte und Foto kennt) mich um ein Bild mit meiner «Frau» zu bitten. Ihr solltet das sehen. WC-Tür auf, gut zehn Paar glänzende Augen, die Löcher in mich starren. Ich bin so gerührt über den Aufwand und die Überwindung, die das gekostet haben muss, dass ich Emma aufwecke. Foto hier, Foto da. Sie sind fast nicht satt zu kriegen. Von nun an ist das Eis gebrochen. Mit Händen, Füssen und viel chinesischem Pflaumenschnaps kommunizieren wir die ganze Nacht, bis die ersten Chinesen nicht nur wegen Urinierens zur Toilette rennen. «In-chinesischem-Zug-mit-Locals-Schnaps-bis-zum-Umfallen-trinken» CHECK :D Und auch ich bin froh über die perfekte, kurvenlose Streckenführung. Einen Glacier-Express hätten wir diese Nacht nicht überlebt. *Hick*

Diese Erfahrung bringt mich auf eine Idee. Facto bin ich immer noch ohne Geld und lebe zur Zeit auf Emmas Kosten. Meine Karte hats leider weder innert den zehn versprochenen Tagen nach China geschafft, noch in den 25 in denen ich schon darauf warte. Bevor ich wieder Zugriff auf mein Konto habe, muss also etwas geschehen. Schliesslich wollen wir in die Mongolei und das ist auch nicht gratis. Doch diese Begegnung mit den fotowütigen Chinesen inspiriert mich. Was, wenn man ihnen den Stress abnimmt und Emma einfach direkt zur Verfügung stellt? So als Sehenswürdigkeit quasi, mit der man, für ein kleines Entgelt natürlich, ein Foto machen kann? Ich meine, klar klingt das krass, aber die Chinesen stellen auch vor jeden See oder Hügel ein Yak oder irgendwelche traditionell gekleideten Menschen. Emma entspricht genau dem hiesig gesuchten Schönheitsideal. Gross, blond, blauäugig!

Ich frage mich, ob sich damit Geld machen lässt. Mal sehen, was sie davon hält.

Es ist früh am Morgen, inzwischen sind wir in Beijing angekommen und checken sogleich in unser Hostel ein. Wir gönnen uns ein herrliches Swiss Breakfast mit Rösti. Mmmh … Jetzt wird erst mal geduscht.

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