Vietnam Rush Day 3: Carpe Diem
Nach den guten Erfahrungen der ersten Tour, buchen wir eine zweite. Es stimmt schon, was viele sagen. Egal, wo du buchst, du endest schlussendlich immer im selben Bus. Der einzige Unterschied ist dann, wie viel du bezahlt hast. Das Mekongdelta mit ganz viel Bötchen befahren und eine Nacht bei einer vietnamesischen Familie verbringen. Alles für 25 Dollar. Das klingt gut, also tun wirs.
Leider haben wir dieses Mal nicht so Glück mit unserem Guide. Er ist wohl direkt nach der Armeeentlassung Touristenführer geworden. Zudem ist der Bus hoffnungslos überfüllt und die Klimaanlage funktioniert auch nur bedingt. So fühle ich mich hier mehr auf einer Kaffeefahrt, als auf einem Trip in eines der schönsten Gebiete des Landes. So erzähle ich auch nicht von den vielen Shops und Touristeninseln, die wir besuchen. Die Handtaschen und vielen Süssigkeitsstände sind mit der Zeit nur noch nervig. Ich bin etwas enttäuscht und wir entscheiden uns, das nächste Mal wieder auf eigene Faust zu reisen.
Wisst ihr was? Ich lasse das ganze Tagesprogramm weg, «Weise!» würde Frida jetzt sagen, und erzähle euch einfach vom wahnsinnsschönen Gefühl mit einem Bötchen über den Mekong zu fahren, und die bunten Häuser, manche französischer Bauart, einige im Art Deco zu bewundern. Lustig finde ich ja, wie mache Städte sich durch ihre Art Deco bewerben. Zum Beispiel Napier in Neuseeland. Hier gibt es viel mehr, natürlicher und in den meisten Fällen sicher auch unfreiwilliger. *lach* Von der Küste hallt herrlicher 90er Jahre Techno übers Wasser und die Menschen baden oder waschen im Fluss, um danach nur unwesentlich sauberer zu sein. Der Regenwald ist so richtig grün und ja, hier gibt es diese kitschigen Palmen aus dem Reiseprospekt … kurzum, es ist wunderschön hier.
Wir sind sehr gespannt, wo wir unseren Homestay verbringen werden. Ich merke vor allem bei den Mädels eine gewisse Müdigkeit und es würde uns allen guttun, einige gute und ruhige Momente mit nach Hause nehmen zu können.
Diem Nguyen heisst unser Gastgeber. Hier heissen alle Nguyen. Diem und seine Familie leben an einem Nebenarm des Mekong und ihr Leben dreht sich ums Wasser. Weil sich davon nicht mehr gut leben lässt, gibt Diem ausländischen Touristen Unterschlupf. Von den weiteren Anwohnern werden wir skeptisch beäugt. Wir schaffen es aber, das Eis zu brechen und aus der Zurückhaltung wird überschwängliches Interesse, was vor allem die Mädels fast erdrückt.
Als sich dann die Sonne hinter den Palmen zu verstecken beginnt, kommt waschechtes «Apocalypse Now Feeling» auf. Nina, Frida und ich müssen uns eingestehen, dass dies einer der schönsten Flecken ist, auf dem wir jemals waren. Diem scheint das zu merken. Auf jeden Fall tischt er uns überraschenderweise herrlichstes, reinstes Mekong-Flusswasser auf, ich nenne es Reisschnaps, das seine Wirkung nicht verfehlt.
Leider schiesst Diem dann etwas übers Ziel hinaus. Frida kommt ins Bungalow, das wir uns teilen und erzählt schockiert, wie Diem sie abfing, einfach küsste und sie zum Beischlaf aufforderte. Sie nimmt es erstaunlich entspannt, versteht wahrscheinlich auch die Tragweite gar nicht, aber ich bin erst schockiert und dann stinkesauer. Es geht einfach nicht, dass man Kind und Frau schlafen schickt, um sich dann über die Touristen herzumachen. Ihr denkt jetzt vielleicht, dass klappt eh nicht, aber Menschen sind oft so überrascht, dass sie nicht reagieren können und schon ist es zu spät. Ich bin richtig enttäuscht von (Carpe) Diem und beschliesse, ihn das am Morgen auch spüren zu lassen. Mir ist bewusst, dass blonde Frauen in der asiatischen Welt dem Schönheitsideal entsprechen, aber wenn Diem damit nicht klarkommt, dann muss er sich einen anderen Job suchen.
Frida braucht ihre Zeit, mich zu beruhigen, verfügt aber über die richtigen Mittel dafür. Trotzdem, dieses Erlebnis gibt mir zu denken.