Vietnam Rush Day 2: Saigon Sight Seeing – the Girl in the Picture
Uff, gestern ist dann doch ein sehr anstrengender Tag gewesen und die paar Bier am Abend waren nach so einem heissen Tag zwar eine Wohltat aber machen den Körper auch nicht fitter für den heutigen Tag mit vollem Programm. So will ich mir eigentlich einen langen Morgen im Bett gönnen. Warum ich morgens um 9.00 Uhr (!) das Zimmer wechseln muss, habe ich nicht verstanden, aber ich füge mich, nachdem ich dem jungen Mann der mich aus dem Schlaf reisst (Tooooodsünde) sicher 60 Sekunden ungläubig mit meinem «Ich-bring-dich-um»-Blick in die Augen starre. Es hilft alles nichts.
Ich scheine irgendwie wirklich ein Talent zu besitzen, mich gut mit Mädels jeglicher Nationen anzufreunden. Mit Frida und Nina habe ich mal wieder zwei getroffen, mit denen es Spass macht zu reisen. Sie sind selbst bereits seit drei Monaten unterwegs. Ich stelle zum ersten Mal fest, wie angenehm es sein kann, wenn man Menschen trifft, die in etwa die selben Erfahrungen gemacht haben und die erste Euphorie bereits verflogen ist. Das ist nicht negativ, denn das Reisen wird anders, intensiver und bewusster. Denn es wird zum Alltag und Bedürfnisse werden andere. Ich weiss nicht, wer den Reisenden beigebracht hat, dass «Hey, where are you from?» ein Aufreiss-Spruch sein soll. Aber jeder verwendet es. Klar, es ist ein guter Spruch, ein Gespräch zu beginnen, weil es auch gleich irgendwie persönlich ist. Aber Frida und ich sind uns einig, dass wir mehr sind und uns nicht hinter einer Nationalflagge verstecken müssen.
Gestern, spät Abends, waren wir uns noch in ganz anderen Dingen einig. Standet ihr schon mal über den Dächern einer asiatischen Metropole, mit Blick aufs wilde Lichtermeer, währenddessen sich jemand um die sexuellen Bedürfnisse kümmert? Frida war gestern die Glückliche. Oder war ich es? Es ist schon krass, wie Tessa mich beflügelt hatte. Inzwischen spüre ich nur noch wenig Trauer, dass sie nicht da ist. Ich entnehme den Begegnungen die Erfahrung, dass ich ein ganz toller Junge zu sein scheine und plötzlich auch bei Frauen eine Chance habe, bei denen ich mich früher niemals getraut hätte. Meine Exfreundin? Die wird mich nie wieder sehen. Frida ist eine Klassefrau. Tessa ebenso. Und beide waren auch am Morgen immer noch da. Das, liebe Lesende, fühlt sich saumässig gut an. Ich bin voller Selbstvertrauen und strotze vor Tatendrang.
Auch wenn ich Saigon noch nicht so mag, habe ich dank ihnen eine Motivation. Ich erinnere mich in Australien mal geschrieben zu haben, dass man seine Mitreisenden wie seine Familie behandeln soll. Diese Einstellung kommt an solchen Tagen zum Tragen, denn es sind oft die Menschen, die dich vorwärts pushen.
Am späteren Nachmittag brechen wir zum Kriegs-Museum auf. Ich habe schon viele Bilder und Filme zum Thema Vietnamkrieg gesehen. Was dieses Museum einzigartig macht, ist die unzensierte Berichterstattung aus vietnamesischer Sicht der Dinge – und das völlig ohne der Propaganda zu verfallen. Im oberen Teil wird über den Hergang des Krieges berichtet, während der mittlere Teil komplett aus Bilddokumentationen besteht, die zum Teil sehr heftig sind und auch den «Agent Orange» nicht auslassen, die Operation, wo die Amerikaner mit Giftgas sämtliche Wälder ihrer Blätter entledigt haben und wovon es noch heute bei der lokalen Bevölkerung Missbildungen gibt. Das unterste Stockwerk zeigt die Solidarität anderer Länder mit Vietnam.
Ungelogen, wir sind ziemlich schockiert und niedergeschlagen, als wir diesen geschichtsträchtigen Ort wieder verlassen. Als wäre Saigon an sich nicht schon genügend anstrengend, so gibt das Museum auch noch unserer Gefühlswelt den Rest. Wir entscheiden uns, uns spontan etwas unterhaltende Kultur zu gönnen und besuchen eine der berühmten Water-Puppet-Shows. Eine Art Puppenspiel, bei denen die Figuren übers Wasser tanzen. Wunderschön – auch wenn wir kein Wort verstehen. =)
Etwas wunderbares passiert dann auf dem Heimweg. Oft tauschen Restaurants bei der Ankunft von Touristen die Menükarte aus. Der Unterschied? Die leicht anderen Preise. Wir finden ein Restaurant, das all seine Gäste gleich behandelt und im Park werden wir von lokalen Jugendlichen angesprochen. Diese verbringen ihre freien Abende damit, Touristen anzusprechen, um mit ihnen Englisch zu lernen. Das ist echt mal eine Genugtuung, dachte ich doch bisher, dass jeder Vietnamese einfach nur Geld von mir möchte. Hier tausche ich etwas viel Wichtigeres aus. Zwischenmenschliches! Wissen! Kultur! Die tollen, kurzen Gespräche, zwar auf limitierter Basis, enden damit, dass wir Facebook und Handynummer austauschen. Ich bin diesem Erlebnis echt dankbar, denn ich war schon fast so weit, alle in denselben Topf zu werfen. Es geht auch anders und das ist schön. :)