Wildnis, wir kommen!
Wir können es nicht lassen und kaufen uns Pferde. Jawohl, richtige Pferde. Drei Stück. Eins für Emma, eins für mich und eins fürs Gepäck. Das darf nicht wahr sein, jetzt sind wir erst wenige Stunden in dieser Stadt und machen bereits so einen Blödsinn. Aber als Emma und ich den Schwarzmarkt nach Kleidung durchforsten, kommt dieser Junge auf uns zu und bietet uns drei seiner Pferde für gut 150 Dollar das Stück an. Emma sagt nur: «Das ist ein Spotpreis» und nun haben wir hier drei, ich wiederhole es nochmals, drei Pferde. Wir lernen von Totsche über die Besonderheiten der mongolischen Pferde, welche semi-wild sind. Das heisst, abends lassen wir sie einfach stehen. Die kommen dann morgens schon wieder – meint Totsche.
Hier in Ulan Bator ist es anders. Die Menschen sind fröhlich und verhalten sich von Grund auf anders wie noch in China. Hier lebt und vibriert es. Auch hier ist die Kriminalität gegenüber Ausländern hoch, die Nachricht vom reichen Touristen bis hier durchgedrungen. Doch das nimmt der Stadt nicht den Charme. Es gibt überall Pferde und ganze Stadtteile bestehen aus Nomadenzelten! In den Berge um die Stadt herum, stehen beschützende Sprüche geschrieben, so gross, dass sie für jeden sichtbar sind. Ebenfalls gibt es ein Portrait von Dschingis Khan.
Wir besorgen neben Campingutensilien noch Kartenmaterial und einen Kompass. Emma sorgt für die Vorräte und genügend Futter und schon reiten wir los. Ich weiss, das klingt jetzt alles ein bisschen spontan aber das ist es auch. Ich sitze erst zum zweiten Mal auf einem Pferd und muss doch zugeben, dass Emma den Groove etwas besser raus hat.
Stellt euch vor. Zwei Weisse, davon eine gross und blond, sitzen auf Pferden und reiten durch Ulan Bator. Der Mann guckt ab und an auf den Kompass und zeigt in eine Richtung. Dahinter reitet unser Gepäck, mit Seilen auf den Rücken von Tschatscha, unserem Lastpferd, gebunden. Es dauert gut fünf Stunden, bis wir aus der Stadt rauskommen. So durchbohrt von neugierigen Blicken, bin ich in meinem ganzen Leben noch nie geworden. Wir reiten auf einen Hügel, parkieren die Pferde, satteln sie ab und stellen unser Zelt auf. Da sitzen wir nun, kochen uns Pasta und schauen unseren Pferden beim Grasen zu. Uns fällt auf, wie einfach das geht. Wir müssen gar nichts tun. Die Pferde laufen für uns. Als wüssten sie, genau wo es langgeht.
Später am Abend erhalten wir Besuch von einem weiteren Reiter. Er stellt sich als Baaat vor und versucht, uns etwas mitzuteilen. Doch leider verstehen wir kein Wort, so dass er bald aufgibt und davonreitet. Wir sind etwas traurig, denn gerne hätten wir mehr von ihm erfahren und vor allem verstanden, was er uns mitteilen wollte. Wir sind nun in der Wildnis. Zum ersten Mal auf uns alleine gestellt. Einfach so. Wir wissen nicht, wie uns geschieht, wir lassen uns einfach überraschen.
Die Sterne sind blinken und wir wissen gar nicht mehr, was wir uns wünschen sollen. Wahres Glück scheint dann zu sein, wenn man sich nichts mehr zu wünschen weiss.
Ich denke viel an meine Vergangenheit. Wie ich vor einem halben Jahr noch an einer Beziehung hing, die im Nachhinein betrachtet, nichts weiter tat, als mich aufzuhalten. Wir haben uns gegenseitig aufgehalten. Was ist es, was mich doch dazu bewegt hat, abzuhauen? Ich hatte doch vor allem Angst, vor jeder kleinsten Veränderung. Etwas zu Ändern lag nicht drin. Es lag nicht im meiner Natur, Kultur. Die Berge verhindern die Sicht auf den Horizont. Warum klettere ich plötzlich drüber? Warum sitze ich hier in der mongolischen Wildnis mit einer blonden Traumfrau? Was ist nur passiert?