Gehet voran, ihr mächtigen Reiter von Rohan
Warum muss mir auch gleich immer alles so wehtun, wenn ich mal Sport mache? Ich finde, ich sollte dafür nicht bestraft, sondern grossartig belohnt werden! Ich könnte ein Klagelied über dich singen, oh du Hintern. Warum ausgerechnet da, wo gestern der Sattel des Bikes gewesen ist?
Tessa ist heute früh wach und motiviert auch mich, das fantastisch fluffige Bett zu verlassen. Sie hat da sone Art von Wortwahl, die ziemlich gut funktioniert. Ich verstehe zwar noch nicht ganz, obs Drohungen sind oder nur eine Warnung gegen das kollektive Verfaulen in dieser wunderschönen Gegend. Um uns herum gibt es gar nichts. Also doch, eine Tankstelle, einige wenige Häuser und eine Natur, die der in Island in nichts nachsteht.
Wir ziehen unser Abenteurer-Outfit an (Converse, Lederjacke und Pulli drunter) und machen uns an den Aufstieg des Berges (Tessa besteht auf Hügel, ich denke es ist ein BERG. Komisch so eine Diskussion mit einer Holländerin zu führen). Auf den Weg dahin werden wir von einem älteren Kiwi-Paar auf dem Pickup mitgenommen. Die sind von unserem Bergsteigerdrang hier im Lande von Sir Edmund Hillary so begeistert, dass sie uns so ziemlich alles schenken wollen, was in ihrem Fahrzeug nicht niet- und nagelfest ist. Als ich dann frage, ob wir das Auto haben dürfen, können sie sich, ich verstehe nicht warum, ein Lachen nicht verkneifen. Als Dank nehmen wir ein paar Kartoffeln mit, die ich dann den Berg hoch- und wieder runterschleife um abends Rösti zu machen und dabei episch zu versagen! ^^
Wir überbrücken die gut 1.5 Stunden steiles Bergpfadwandern durch unfassbar viel Stussen, was wir zwar gut können, uns aber nicht weniger auspumpt, dafür definitiv viel Spass bringt. Allgemein ist es mit Tessa eine Riesengaudi. Sie arbeitet beim holländischen TV und ist verantwortlich, dass zur richtigen Zeit, die richtigen Programme über die Bildschirme flimmern. Da gibt es einige lustige Geschichten, wie die des (Ex-)Mitarbeiters, der während eines Fussballmatches der Holländer aus versehen die Big-Brother-Übertragung der Konkurrenz auf den eigenen Sender einspeiste. Oranje! Oranje!
Auf dem Weg nach oben realisieren wir dann auch, wie grossflächig dieses Tal ist. Von oben sieht mans halt am besten. Ich schiesse wieder zig Millionen Fotos. Ich weiss, Berge sind für neutrale Betrachter nicht so interessant, aber die Schönheit dieser baumlosen Riesen, wie sie daliegen wie tote Wale am Strand und die Steppe im Tal, beige vom Herbst – das ist so eine tragische Romantik und das Melodrama wird noch schlimmer, wenn die Sonne beginnt, sich hinter den Bergen niederzulegen. Hier könnte ich verweilen. Tessa auch, so bleiben wir an die fünf Stunden oben. Wir gehen ums Observatorium herum, welches wir aufgrund der 80 Dollar, die die Scharlatane von uns wollen, nicht besuchen. Lieber spielen wir Karten. Shithead, *yeah* ich hab den Dreh langsam raus.
Als es gegen Abend merklich abkühlt, steigen wir wieder runter und sind entspannt und glücklich und total reizüberflutet von dem, was wir heute gesehen haben. Zum Teil sitzen wir nur da, Tessa setzt sich zwischen meine Beine, um dann einfach nur anzulehnen. Es ist riesig und wunderschön. Ich merke einfach, dass ich für solche Gegenden gemacht bin, hier blühe ich auf. Hier vergesse ich alles und beginne die Elemente zu spüren und zu lieben. Nur so kann ich es mir erklären, dass so eine klasse Frau wie Tessa, Zeit mit mir verbringen will.
Zurück im Hostel buchen wir unseren Bus für einen Tagesausflug zum Mount Cook, dem höchsten Berg Neuseelands. Um 8.00 Uhr werden wir morgen abgeholt. Die Realität ist gerade ganz weit weg, hier in Gondor, dem Reich der Menschen.